Kassandra Verschwörung
Hände. Sie zuckte wie bei einem elektrischen Schlag zusammen. Sie konnte nichts dagegen tun. Sie hatte gedacht, sich besser unter Kontrolle zu haben, ihre übliche... was auch immer herauskehren. Doch es fing an, blöd zu laufen. In der Zwischenzeit hatte Elder eine weitere Frage gestellt.
»Wie bitte?«, sagte sie.
»Hast du Probleme mit den Ohren, Joyce? Es ist schon das zweite Mal, dass ich meine Frage wiederholen muss. Ich habe gefragt, wie der junge Barclay vorankommt.«
»Keine Ahnung. Ganz gut, nehme ich an.« Sie startete den Motor. Je schneller sie ihn in seinem Hotelzimmer absetzte, desto besser.
Besser für alle Beteiligten.
»Du hast ihn doch geschickt, oder?« Er formulierte es als Frage, aber in Wahrheit war es eine Feststellung.
»Ja«, erwiderte sie, während sie rückwärts aus der Parklücke fuhr. »Ich habe ihn geschickt.«
»Gut.«
»Lass uns eins von Anfang an klarstellen, Dominic. Du bist ausschließlich in beratender Funktion hier. Ich will nicht, dass du dein eigenes Spiel spielst, und ich will nicht...«
»... dass ich andere für meine eigenen Zwecke manipuliere? Und sie anschließend fallen lasse?« Er zitierte aus dem Gedächtnis. Sie hatte ihm diese Predigt schon öfter gehalten. »Du hast eine vorgefasste Meinung über mich, Joyce.«
»Beruht auf eigener Erfahrung.« Sie fühlte sich jetzt selbstsicherer, mehr sie selbst. Sie wusste, dass Dominic, wenn er freie Hand hätte, die ganze Abteilung darauf ansetzen würde, nach Geistern zu suchen. Er hatte es schon früher versucht. »Woher rührt dein Interesse an Barclay?«
» Bin ich interessiert?«
»Du wolltest, dass er nach Frankreich geschickt wird. Das riecht nach dem Dominic Elder von früher.«
»Vielleicht erinnert er mich an jemanden.«
»An wen?«
»Ich bin nicht sicher. Erzähl mir etwas von unserem Freund Khan.«
Elder hörte ihr zu und schaute dabei aus dem Fenster. Womöglich stand ihm ein langweiliger Abend bevor; eigentlich verabscheute er London, doch im Moment fühlte er sich ziemlich ruhig und zufrieden. Er rieb seinen Rücken an der Lehne des Autositzes. Als Joyce mit ihrem Bericht fertig war, dachte er einen Moment nach.
»Das Model interessiert mich«, sagte er schließlich.
»Warum?«
»Die Hexe muss über interne Informationen verfügt haben. Sie wusste, wo Khan sich aufhalten, und wohl auch, dass er in Begleitung sein würde. Der Leibwächter kommt als Informant nicht in Frage, sie hat ihn fast umgebracht. Wir sollten uns das Model näher ansehen.«
»Okay. Sonst noch was?«
»Sonst fällt mir nur noch die Frage ein, die auf der Hand liegt.«
»Und die wäre?«
»Wo genau wurde Khans Zunge gefunden?«
Calais wirkte trostlos. Verdammte Franzosen. Sie hörten ihm mit scheinbar endloser Geduld zu, während er sich in seinem gestammelten Französisch einen abbrach und seine Fragen formulierte, und dann stellte sich heraus, dass die Hälfte von ihnen sowieso Englisch sprach. Sie starrten ihn an und erklärten ihm langsam und mit Bedacht, dass ein englischer Polizist bereits genau die gleichen Fragen gestellt hatte. Einer von ihnen hatte sogar die Frechheit besessen, ihn nach einem besonders anstrengend verlaufenen Gespräch zu fragen, ob Barclay ihn nicht auch noch über die finanziellen Angelegenheiten des Kapitäns des gesunkenen Schiffs aushorchen wolle.
»Der andere Polizist«, erklärte der Franzose, »fand diese Frage äußerst wichtig.«
»Stimmt«, erwiderte Barclay mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich wollte gerade dazu kommen.«
»Ach so«, sagte der Franzose und lehnte sich mit locker auf die Oberschenkel gestützten Händen zurück. Es bestand nicht der geringste Zweifel daran, was alle dachten: dass dieser junge Mann ein Anfänger war, den man aus irgendeinem geheimnisvollen Grund geschickt hatte, aber mit Sicherheit nicht, um irgendwelche neuen Erkenntnisse zu gewinnen. Es gab keine neuen Erkenntnisse. Monsieur Doyle, dieser fröhliche, Drinks spendierende Engländer hatte bereits alles abgegrast. Barclay kam sich nicht vor wie ein Anfänger, sondern eher wie ein runderneuerter Reifen – all die Kilometer hatte bereits jemand anders zurückgelegt, bevor er am Ort des Geschehens aufgetaucht war. Er fuhr eine alte Rennstrecke ab, eine Schleife. Niemand konnte verstehen, warum. Nicht einmal Barclay selbst.
Na gut, das war nicht ganz die Wahrheit. Zunächst einmal hatte er sich trotz seiner Ratlosigkeit gefreut. Man hatte ihm einen Einsatz im Ausland anvertraut, ihm Spesen in
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