Kassandra Verschwörung
frischen Blättern angepriesen. Na ja, irgendwann waren die Blätter bestimmt mal frisch gewesen, vermutete sie.
Nach ihrem hektischen Morgen – so viele Leute mussten über Khans Ableben und die Art seines Todes informiert werden – hatte sie in ihrem Büro einen Moment Zeit zum Nachdenken gehabt. Auch dies, kurioserweise, bei einer Tasse Tee. Sie hatte nachgedacht und dann einen weiteren Anruf getätigt.
Sie hatte Dominic Elder angerufen.
»Hallo Dominic. Ich bin’s, Joyce.«
»Ah, Joyce. Ich habe schon angefangen, mich zu wundern... Darf ich deinen Anruf so verstehen, dass etwas passiert ist?«
»Ein Mord.«
»Jemand Wichtiges?«
»Nein.«
»Ein Auftragsmord?«
»Ja.«
»Genau das habe ich erwartet. Damit hat sie sich das Geld beschafft, das sie für ihren eigenen geplanten Anschlag braucht.«
»Was macht dich so sicher, dass es die Hexe war?«
»Andernfalls hättest du mich nicht angerufen.«
Sie lächelte über diese Bemerkung. So einfach war das also. »Ach so, natürlich«, sagte sie. »Also gut, es war eine Frau. Wir haben keine Beschreibung.«
»Sie hätte euch sowieso nichts genützt«, entgegnete er ruhig.
»Nein.«
»Und nun?«
»Die Special Branch überprüft gerade...«
»Ja, schön, aber was nun?« Seine Stimme war jetzt nicht mehr ganz so ruhig. »Die Polizei kann bis zum jüngsten Tag ermitteln. Sie wird nur das finden, von dem die Hexe will, dass es gefunden wird.«
»Du glaubst also nicht, dass die Hexe ihren Job erledigt hat?«
»Joyce, ich glaube nicht einmal, dass sie überhaupt schon angefangen hat...«
Die sich öffnende Tür des Restaurants riss sie aus ihren Gedanken. Er trug einen Koffer, den er neben ihrem Platz auf den Boden stellte, bevor er sich ihr gegenüber niederließ.
»Hallo, Joyce. Ich hatte eine etwas herzlichere Begrüßung erwartet.«
»Dein Zug ist zu früh. Ich wollte eigentlich auf dem Bahnsteig auf dich warten.«
Er lächelte. »Ich habe nur Spaß gemacht.«
»Ach so.« Sie sah hinab auf ihre Hände, die rechts und links neben ihrer Tasse auf der Tischplatte lagen. Sie schob eine Hand über den Tisch auf ihn zu, bis sie leicht seine Finger berührten. »Schön, dich wiederzusehen, Dominic.«
»Ich freue mich auch, hier zu sein. Wie schmeckt der Tee?«
Sie lachte. »Scheußlich.«
»Hab ich mir schon gedacht. Wie wär’s mit einem Drink?«
»Einem Drink?«
»Das, was Leute in einem Pub so zu sich nehmen.«
»Ein Drink.« Sie dachte einen Moment nach. »Ja, warum nicht?«
»Du kannst mich auch zum Essen einladen, wenn du willst.«
Sie zuckte beinahe zusammen. »Tut mir leid, Dominic, ich habe schon eine Verabredung.«
»Oh.«
»Ein Dienstessen, das ich so kurzfristig unmöglich absagen kann.«
»Kein Problem. Dann stürze ich mich eben allein ins Gewimmel der City. Gibt es das Delpuy’s noch?«
»Das Delpuy’s? Mein Gott, keine Ahnung. Ich bin da seit – tja, seit einer Ewigkeit nicht gewesen.«
»Ich versuche mein Glück. Hast du mir ein Zimmer gebucht?«
»Ja, sehr zentral und einigermaßen preiswert. Ich kann dich dort absetzen, wenn du willst.«
»Haben wir denn noch Zeit für den Drink?«
»So gerade.«
»Worauf warten wir dann noch?« Er erhob sich. Sie schob ihren Tee zur Seite und tat es ihm nach. Für einen Moment standen sie ganz dicht beieinander und sahen sich an. Er beugte sich vor und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, bevor er seinen Koffer nahm. »Nach dir«, sagte er.
Beim Aufschließen ihres Kofferraums fiel ihr der Schlüssel aus der Hand, und sie musste sich bücken, um ihn aufzuheben. Elder fragte sie etwas, doch sie verstand ihn nicht.
»Wie bitte?«
»Ich habe gefragt, wer meine Kontaktperson bei der Special Branch ist.«
»Kontaktpersonen. Es gibt zwei, Doyle und... ich glaube, der andere heißt Greenleaf.« Sie musste erneut an den Tee denken, fresh-leaf tea , Tee aus frischen Blättern. Klang ein bisschen wie green-leaf ... Sie schloss den Kofferraum auf und öffnete ihn. Elder hievte seinen Koffer hinein.
»Von Doyle habe ich schon gehört. Er ist ziemlich gut, oder?«
»Keine Ahnung. Sie arbeiten beide für Trilling.« Sie schlug die Kofferraumklappe zu.
»Bill Trilling? Mein Gott, ist der immer noch da?«
»Und wie. Ich muss dich warnen, er ist im Moment nicht besonders gut auf uns zu sprechen. Ich erzähle es dir unterwegs.« Sie schloss den Wagen auf, rutschte hinters Lenkrad und suchte in ihrer Tasche nach der Brille. Als sie ihre Sicherheitsgurte anlegten, berührten sich ihre
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