Kassandra Verschwörung
trotzdem nervös. »Ich würde lieber noch ein wenig dranbleiben, Ma’am«, erwiderte er. »Wie es scheint, gehen wir und die DST von unterschiedlichen Blickwinkeln an die Sache heran. Die Leute der DST sind besorgt, dass die Hexe womöglich in Frankreich Helfer gehabt haben könnte. Sie wollen ihr für die Zukunft jede mögliche Unterstützung kappen. Dass sie nun in England ist, kümmert sie wenig. Wenn wir das Feld jetzt räumen, stellen sie vielleicht nicht die richtigen Fragen.«
Es entstand eine quälende Pause, im Hintergrund war Gelächter zu hören, dann antwortete sie schließlich: »Verstehe. Also gut, fahren Sie nach Paris. Rufen Sie mich von dort an.«
»Jawohl, Ma’am.« Nur mit Mühe gelang es ihm, die Aufregung in seiner Stimme zu unterdrücken.
»Und übertreiben Sie es nicht mit den Spesen. Ich will keine Quittungen aus dem Moulin Rouge sehen. Verstanden?«
Sie zog es ins Lächerliche, aber sie hatte ihm geglaubt. Warum auch nicht? Dominic Elder hatte gesagt, dass es funktionieren könnte. Er hatte vor gerade mal zwanzig Minuten angerufen, als Barclay und Dominique in der Hotelbar etwas tranken und Pläne schmiedeten.
»Verstanden«, erwiderte Barclay und legte auf, bevor sie es sich womöglich anders überlegte. Dominique wartete unten auf ihn.
»Und?«, fragte sie.
Er tat möglichst gleichgültig und zuckte mit den Schultern, während er wieder Platz nahm. »Alles klar.« Er griff nach seinem Bier. »Ich komme mit nach Paris.«
Sie nickte und schaffte es, weder Freude noch Missfallen erkennen zu lassen.
»Wie wär’s noch mit einem Absacker?«
Sie sah ihn verwirrt an. »Absacker?«, wiederholte sie.
»Ein letzter Drink vorm Schlafengehen«, erklärte er.
»Ach so.« Sie nickte nachdenklich. »Ja, warum nicht? Aber vergessen Sie nicht, Michael, wir haben nichts zu feiern... noch nicht. Das sind alles nur...«
»Möglichkeiten, ich weiß. Aber wie auch immer, es ist auf jeden Fall besser als nichts und ganz bestimmt besser, als in einem Büro in London zu hocken.« Er glaubte die Worte selbst. Das Büro stellte nicht länger einen Hort der Sicherheit dar. Es schien ihm langweilig, ein Ort, der nichts Aufregendes zu bieten hatte. Außerdem musste er nach Paris, oder etwa nicht? Er hatte eine Spur gefunden, etwas, womit Doyle nicht aufwarten konnte. Wer wusste schon, was er noch finden würde, wenn er sich an Dominiques Fersen heftete? Es war keine leichte Arbeit, aber irgendjemand musste sie tun.
»Waren Sie schon mal in Paris?«, fragte sie.
»Ein- oder zweimal.«
»Mit Freundinnen?«
»Diese Informationen unterliegen der Geheimhaltung.«
Sie lachte. »Ich zeige Ihnen Paris. Sie werden die Stadt lieben.«
Barclay gab dem Barkeeper ein Zeichen. »Ist das wieder Ihr schlussfolgerndes Denken?«
»Nein«, erwiderte sie und leerte ihr Glas, »nur Instinkt.«
Donnerstag, 11. Juni
Das erste Treffen zwischen den beiden Special-Branch-Agenten und Dominic Elder konnte nicht als besonders erfolgreich bezeichnet werden. Als wenig hilfreich erwies sich auch die zeitweise Teilnahme von Joyce Parry und Commander Trilling, die ihren persönlichen Kalten Krieg auszutragen schienen.
Doch es war Doyle, der den Ton angab. Nachdem er Elder vorgestellt worden war und ihm die Hand geschüttelt hatte, lautete seine erste Frage: »Und, Mr. Elder? Wie lange sind Sie schon im Ruhestand?«
Elder ignorierte die Frage, aber Doyle konnte einfach nicht anders, als weiter darauf herumzuhacken. Seine Beiträge zu der Diskussion waren gespickt mit Anspielungen auf den »pensionierten Gentleman«, »den Exagenten«, »den Herrn vom Land« und so weiter. Je mehr er in diese Kerbe haute, desto starrer wurde Elders Lächeln. Greenleaf versuchte, Doyle auf ein anderes Terrain zu lenken, versuchte, ihn dazu zu bringen, über Calais zu reden oder über die Folkestone-Operation, aber Doyle war nicht zu bremsen. Nichts konnte ihn um sein billiges Vergnügen bringen. Er riss sogar, wie Elder es vorausgesehen hatte, einen Witz über dessen Namen. »Vielleicht«, begann Doyle lauthals einen Satz, »sollte ich dies nicht vor Leuten sagen, die älter sind als ich...«
Darauf hatte Dominic Elder gewartet. »Älter und besser, Mr. Doyle, so heißt es, glaube ich.«
Sein Lächeln erstarb.
Greenleaf rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Er hatte beinahe den ganzen gestrigen Abend damit zugebracht, sich auf diese morgendliche Sitzung vorzubereiten, hatte sichergestellt, dass alles parat war. Er hatte die
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