Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kassandra Verschwörung

Titel: Kassandra Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Rankin
Vom Netzwerk:
würde.
     
    Als Barclay an den Abend zurückdachte und sich ihre Unterhaltung noch einmal in Erinnerung rief, musste er zugeben, dass ihr gemeinsames Essen von Rivalitäten bestimmt gewesen war, was nicht bedeutete, dass es nicht nett gewesen wäre.
    Er frühstückte – Milchkaffee und Croissants in der Hotelbar – und wartete auf Dominique. Sie hatte ihn gestern Nacht entschlossen in seine Schranken verwiesen. Vermutlich wog sie um die Hälfte weniger als er, hatte aber während des Essens genauso viel getrunken. Sie hatte ihn vor dem Hotel abgesetzt, ihm zum Abschied zugewinkt und einmal gehupt, bevor sie davonbrauste. Und er hatte einen Moment dagestanden, seinen Schlüssel gesucht und sich gefragt, ob er vielleicht etwas mehr aus sich herausgehen, möglicherweise sogar einen Kuss hätte wagen sollen.
    »Nicht beim ersten Date«, hatte er sich gesagt, während er den Schlüssel aus seiner Tasche zerrte.
    Die Dusche vor dem Frühstück hatte Wunder gewirkt, und er fühlte sich wieder fit, gerüstet für den nun vor ihm liegenden Tag.
    Die Tür ging auf, und Dominique kam herein. Nachdem sie den Hotelier bereits am Vortag kennengelernt hatte, begrüßte sie ihn jetzt mit einem lauten »Bonjour«, während sie sich in der Sitzecke niederließ.
    »Guten Morgen«, sagte sie.
    »Hallo.«
    Sie sah aus, als wäre sie schon seit Stunden auf. Sie hatte sich ein rotes, von einer goldenen Brosche zusammengehaltenenes Wolltuch um den Hals geschlungen, das farblich zu ihrem Lippenstift passte und ihren Mund noch glänzender erscheinen ließ als sonst. Außerdem trug sie ein weißes T-Shirt, eine ausgeblichene, bis über die nackten Knöchel umgeschlagene blaue Jeans und die gleichen praktischen Schnürschuhe wie am Vorabend, dazu eine braune Umhängetasche aus Leder. Barclay brach ein Stück von seinem Croissant ab und ließ ihren Anblick auf sich wirken.
    »Danke für den schönen Abend«, sagte er. Er hatte eine längere Ansprache vorbereitet, aber sie schien ihm überflüssig. Sie zuckte mit den Achseln.
    »Kommen Sie«, forderte sie ihn auf und sah hinab auf seine noch halb volle Tasse. »Wir haben jede Menge zu tun.«
    »Okay, okay.«
    »Passen Sie auf. Ich habe nachgedacht.« Sie holte tief Luft, bevor sie fortfuhr. »Ich suche meine Schwester. Das ist die Geschichte, die ich den Lastwagenfahrern erzählen werde. Sie ist von zu Hause abgehauen, und ich glaube, dass sie möglicherweise auf dem Weg nach England ist.«
    »Eine gute Geschichte. Damit erregen wir zumindest Mitleid.«
    »Genau, und die Vorstellung zweier Schwestern könnte ihnen gefallen. Vielleicht trägt es dazu bei, dass sie sich an etwas erinnern.«
    »Sprechen Sie aus Erfahrung?«, fragte er. Sie kniff die Augen zusammen, und er nickte. »Okay«, meinte er, »War ein kleiner Scherz.«
    »Jedenfalls dürfte es funktionieren.«
    »Und welche Rolle spiele ich bei dem Ganzen?«
    »Sie sind der Tommy aus ›The Who’s Tommy‹. Taubstumm.«
    »Blind auch?«
    »Nein, aber überlassen Sie das Reden einfach mir. Okay?«
    »Von mir aus.«
    »Und jetzt, beeilen Sie sich .« Und um ihm dabei zu helfen, schnappte sie sich das letzte Stück von seinem Croissant, tunkte es in seine Tasse und steckte es sich in den Mund.
    »Sollen wir meinen Wagen nehmen?«, fragte er.
    »Ich bin aus Paris«, fuhr sie ihn an. »Warum sollte ich ein britisches Auto fahren?«
    »Ich bin ja schon still«, entgegnete er und folgte ihr zum Ausgang.
     
    Es war genauso ermüdend und frustrierend wie am Vortag, mit dem einzigen Vorteil, dass sie die ganze Arbeit machte, während er sich im Hintergrund hielt. Dominique nahm die anzüglichen Bemerkungen der Lastwagenfahrer gelassen hin, wohingegen Barclay Lust verspürte, dem einen oder anderen die Fresse zu polieren. Doch obwohl sie aufmerksam zuhörte, schien die Befragung nicht viel Neues zutage zu fördern. Keiner der Fahrer wusste irgendetwas. Ob Dominique vielleicht ein Foto ihrer Schwester habe, vielleicht eins, dass sie behalten könnten...? Vielleicht eins von ihnen beiden in Badeanzügen...?
    Allgemeines Gelächter und kehlige Laute, die Worte schnodderig und rasend schnell heruntergerattert. Barclay verstand nicht mal ein Viertel des Gesagten. Sie aßen in dem französischen Äquivalent eines Schnellimbisses, einer schmuddeligen, verrauchten Bar, in der jedoch ein mehr als passables Fünfgängemenü serviert wurde. Barclay kapitulierte nach dem dritten Gang und verteidigte sich damit, dass er vom Abend zuvor noch pappsatt sei. Aus

Weitere Kostenlose Bücher