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Kassandra Verschwörung

Titel: Kassandra Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Rankin
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öffentliche Transportmittel, nicht? Wohingegen Killer eher darauf bedacht sind, nicht gesehen zu werden. Also ist es wahrscheinlicher, dass sie auf der Straße gekommen ist. Stimmen Sie mir zu?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Wenn Sie es sagen.«
    »Dann ist sie also entweder selber gefahren, oder sie wurde gefahren. Es heißt, dass sie am liebsten allein arbeitet. Dass sie eine unabhängige Frau ist, autark.« Sie hielt inne und wartete auf sein bestätigendes Nicken. »Deshalb ist es wahrscheinlicher«, fuhr sie fort, »dass sie keinen Komplizen hatte. Also könnte sie entweder per Anhalter oder selber nach Calais gefahren sein. Richtig?«
    »Richtig.«
    »Beim Trampen wird man am ehesten von Lastwagen mitgenommen. Lastwagenfahrer nehmen häufiger Anhalter mit als Fahrer von Personenwagen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.« Sie begleitete diese Feststellung mit einem flüchtigen Lächeln »Also«, setzte sie ihren Gedankengang fort, »hat diese Frau sich wahrscheinlich entweder als Anhalterin von einem Lastwagen mitnehmen lassen, oder sie ist selber gefahren.«
    Barclay brauchte einen Moment, das Gesagte zu verarbeiten, doch er begriff schnell. »Also sollten wir nicht mit Seeleuten reden, sondern mit Lastwagenfahrern.«
    »Genau. Und uns an Frachtumschlagplätzen und bei Transportfirmen umhören. Außerdem sollten wir uns nach verlassenen Autos erkundigen. Nach Autos, die auf Parkplätzen zurückgelassen oder auf irgendeinem Feld oder einer Wiese angezündet wurden, so etwas in der Art. Natürlich besteht immer noch die Möglichkeit, dass sie auf andere Weise hierhergekommen ist...«
    »Aber die Gesetze der Wahrscheinlichkeit legen etwas anderes nahe, stimmt’s?«
    Sie brauchte ein oder zwei Sekunden, seine Worte in ihre Sprache zu übersetzen. »Wenn Sie es sagen«, entgegnete sie schließlich genau in dem Moment, in dem die Suppenterrine auf den Tisch gestellt wurde.

Mittwoch, 10. Juni
    Der Kirmesbetrieb hatte noch nicht angefangen, aber Barnabys Schießbude war bereits offen, die Vorderseite hochgeklappt, das Maschinengewehr an die Kompressionspumpe angeschlossen und mit Kugeln geladen. Keith war gerade dabei, eine siebeneinhalb Zentimeter große Zielscheibe (die Hälfte der üblicherweise verwendeten Größe) über dem Herz der menschengroßen Metallfigur anzubringen. Er sah sich vorsichtig um, dahin, wo sie stand und das Gewicht des Gewehrs in ihrer Hand balancierte, um die richtige Haltung zu finden. Rosas Mädchen. Das war sie immer gewesen: Rosas Mädchen. Man erzählte sich wenig über sie und akzeptierte achselzuckend, dass sie einmal Teil der Kirmes gewesen war. Keith konnte sich nicht so weit zurückerinnern, aber er wusste, dass er auf sie stand. Was der Grund dafür war, dass er keine Einwände gehabt hatte, die Schießbude für sie aufzumachen, obwohl die Einheimischen sich womöglich darüber beschweren würden, dass der Krach schon so früh losging. Sie hatte sogar die zu zahlenden zwei Pfund auf den Tresen gelegt.
    »Sei nicht albern«, hatte er gesagt. Aber sie hatte nur den Kopf geschüttelt.
    »Nimm es. Ich bin im Moment ziemlich gut bei Kasse.«
    »Schön für dich.« Also hatte Keith das Geld eingesteckt.
    Er befestigte die letzte Ecke der Zielscheibe mit der letzten Reißzwecke.
    Sie brachte bereits die Waffe in Stellung. Er spürte das auf ihn gerichtete Visier wie ein gegen seinen Hinterkopf drückendes Gewicht. Die Kompressionspumpe zischte irgendwo hinter ihm.
    »Alles klar!«, rief er. »Fertig.« Und mit diesen Worten entfernte er sich von der Zielfigur.
    Aber sie schoss noch nicht. Sie stand ruhig da, während ihr Auge durchs Visier starrte. Der Lauf des Gewehrs wackelte nicht einen Millimeter. Dann drückte sie den Abzug. Für zehn Sekunden erhob sich ein ohrenbetäubender Lärm, gefolgt von wohltuender Stille. Keith starrte auf die Zielfigur, auf die Stelle, vor der Papierfetzen herumwirbelten. Die Ränder der Zielscheibe sahen unversehrt aus, wie ein Fensterrahmen, doch das gesamte Innere des Rahmens war nur noch eine in der Luft wirbelnde Papierwolke.
    Er stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Ich habe noch nie jemanden so schießen gesehen wie...«
    Doch als er sich umdrehte, war sie verschwunden. Das Maschinengewehr lag seitwärts auf dem Tresen. Keith pfiff noch einmal leise durch die Zähne, grinste die Zielscheibe an und rieb sich das Kinn. Dann begann er vorsichtig die Reißzwecken von den Ecken der Zielscheibe zu entfernen. Er wusste genau, was er damit tun

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