Kassandra Verschwörung
hinter sich die Tür.
Er nahm beeindruckt zur Kenntnis, dass Greenleaf und Doyle bereits gefrühstückt hatten und schon auf dem Weg zum Polizeirevier waren, wo sie den Barkeeper Joe vernehmen wollten, der eingewilligt hatte, sich dort mit ihnen zu treffen. Also frühstückte er alleine, betrachtete durch das Fenster die Morgensonne und dachte an seinen Garten. Ein Zechkumpan, Tommy Bridges, hatte sich kurzfristig bereit erklärt, den Garten, falls nötig, zu sprengen. Aber Tommys Gedächtnis war dieser Tage nicht mehr so gut – zu viele Flaschen Rum waren seine Kehle hinuntergeflossen; vielleicht sollte Elder ihn lieber anrufen und ihn erinnern. Doch der Zeitung zufolge hatte es gestern im südwestlichen Wales geregnet, und für heute war noch mehr Regen angesagt. Hoffentlich ersoffen seine Setzlinge nicht.
Nach einem üppigen Frühstück und viel zu viel dünnem Kaffee trat er hinaus auf die Straße und beschloss, seine Bemühungen diesmal auf das Stadtzentrum zu konzentrieren. In einer Hinsicht hatte die Nachricht der Hexe ihnen ein Stück Arbeit abgenommen, denn jetzt wussten sie wenigstens definitiv, dass sie hier gewesen war und zumindest ein wenig Zeit in Cliftonville verbracht hatte. Aber wo genau war sie untergeschlüpft? Doyle würde den heutigen Tag damit zubringen müssen, das Abklappern sämtlicher Hotels und Pensionen des Urlaubsorts zu organisieren. Aus Margate würden zusätzliche Beamte abgestellt werden, aber Elder bezweifelte, dass sie ausreichten. Sie würden auch aus weiter entfernten Orten Verstärkung anfordern müssen. Das Problem war, dass das plötzliche Erscheinen zu vieler Polizisten auf den Straßen mögliche Komplizen oder Zeugen verscheuchen würde.
Er hatte auf Doyle eingeredet, dass der Einsatz unauffällig vor sich gehen müsse, doch Doyle hatte dagegengehalten, dass unauffällig langsam bedeute, es jedoch darauf ankomme, schnell zu sein. Bei einer Geiselnahme würde Doyle nicht zögern, die Tür einzutreten und den Tatort wild um sich schießend zu stürmen. Megaphondiplomatie, das Ganze auszusitzen, war nicht sein Stil. Und es nagte an Elder, ob Doyle diesmal nicht vielleicht sogar recht hatte. Greenleaf, der Ruhigere der beiden, hatte sich jeden Kommentars enthalten. Seit seinem Ausbruch bei ihrer allerersten Besprechung in London war er ziemlich zurückhaltend gewesen. Wäre der besonnene Greenleaf statt des Hitzkopfes Doyle nach Calais geschickt worden, hätte Barclay vielleicht keine neue Spur entdeckt. Jetzt, fiel ihm ein, dass Joyce gar nicht erwähnt hatte, was genau Barclay in Paris trieb. Sie hatte sich nicht in die Karten schauen lassen, für den Fall, dass nichts dabei herauskäme. Und er, Elder, hatte nicht gefragt, nicht nachgehakt. Ein weiterer Schnitzer seinerseits, der Joyce nicht entgangen sein dürfte.
Er war zu lange aus dem Spiel gewesen, daran gab es nichts zu deuteln. Was auch immer für Fehler ihm unterliefen, jemand wie Barclay hatte zumindest seine Jugend auf seiner Seite. Elder blieb auf dem Bürgersteig stehen und dachte darüber nach. Ja, er hatte darauf gedrängt, Barclay nach Frankreich zu schicken, weil er davon ausgegangen war, dass der junge Mann dort eine Lektion lernen würde. Fragte sich nur, was für eine Lektion: eine nützlicher oder eine grausamer Art? Er war sich noch nicht sicher. Es schien alles so lange her. Er stand vor einer Metzgerei, in der trotz der frühen Stunde schon reger Betrieb herrschte. In dem großen Schaufenster lag eine stattliche Auswahl an appetitlich aussehendem Fleisch und Würsten. Der Metzger und sein junger Verkäufer arbeiteten rasch und unterhielten sich dabei die ganze Zeit mit ihren Kunden, die sich ihrerseits die Wartezeit vertrieben, indem sie miteinander redeten. Fleisches-Lust.
Dann nahm Elder das Schaufenster selbst ins Visier. An der Scheibe klebte ein kleines Plakat, das für eine Handwerksausstellung warb. Und an der verglasten Ladentür, die mit einem Keil aufgehalten wurde, hing ein großes Plakat, das auf eine Wanderkirmes hinwies. Er hatte auf seinem Rundgang am Abend zuvor mehrere dieser Plakate gesehen, doch auf die Kirmes selbst war er nicht gestoßen. Er erinnerte sich, dass jemand gesagt hatte: »Vielleicht wollte sie mit dem Zirkus durchbrennen...« Moncur, der Lastwagenfahrer, war es gewesen. Eine Wanderkirmes. Nachtmenschen. Vielleicht hatte einer von ihnen etwas bemerkt. Sie hatte sich in Cliftonville absetzen lassen, und dort hatte es eine Kirmes gegeben. Jetzt war sie weg und, wie es
Weitere Kostenlose Bücher