Kassandra Verschwörung
der Pub. Ich glaube, sie hat die Nachricht auf gut Glück dort hinterlassen.«
»Du glaubst also nicht, dass sie dich verfolgt?«
»Nein.«
»Aber sie weiß, dass du hinter ihr her bist.«
»Nicht einmal dessen bin ich mir sicher. Könnte auch nur eine scharfsinnige Vermutung sein. Vielleicht weiß sie gar nicht, dass ich mich aus dem Berufsleben zurückgezogen habe.«
»Hat die Spurensicherung schon...«
»Sie untersuchen den Brief heute Vormittag. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass sie etwas finden werden. Sie hat die Nachricht einem Barkeeper gegeben. Doyle und Greenleaf knöpfen sich den Mann heute Morgen vor. Wir haben gestern Abend schon mit ihm gesprochen, aber heute wollen sie ihn noch mal so richtig in die Zange nehmen. Wozu auch immer das gut sein mag.«
»Was soll das denn heißen?«
»Es soll heißen, dass sie ihn dazu gekriegt hat, die Nachricht zu schreiben. Sie hat so getan, als hätte sie sich das Handgelenk verstaucht.«
»Cleveres Mädchen«, sagte Joyce Parry anmerkend.
»Ein paar mehr von ihrer Sorte auf unserer Seite«, meinte Elder, »und wir wären vielleicht immer noch ein Empire.«
Er hörte einen erstickten Laut, als Joyce Parry ein Gähnen unterdrückte. »Gibt es eine Beschreibung von ihr?«, fragte sie schließlich.
»Komm schon, Joyce. Wach endlich auf. Sie kann ihr Aussehen seitdem x-mal verändert haben. Keine Beschreibung, die der Barkeeper uns geben kann, würde uns irgendetwas nützen.«
»Du klingst frustriert.« Sie hörte sich beinahe besorgt an.
»Meinst du?« Er rang sich ein Lächeln ab. »Vielleicht liegt das daran, dass ich noch nicht gefrühstückt habe.«
»Was hält dich davon ab?«
»Ich dachte, du würdest vielleicht gern Bescheid...«
»Jetzt weiß ich Bescheid. Also geh und frühstücke. Und noch was, Dominic...«
»Ja?«
»Häng dich nicht zu sehr rein. Verlass dich auf Greenleaf und Doyle, dazu sind sie schließlich da.«
»Du meinst, ich soll sie bitten, meinen Rollstuhl zu schieben?«
»Ich meine, es lastet nicht alles auf deinen Schultern. Du bist kein Einmannteam.«
»Ich habe das seltsame Gefühl, das nicht zum ersten Mal zu hören...«
»Mach dich nicht lustig! Ich hab dich von Anfang an gewarnt...«
»Operation Silberfisch, ich weiß.«
»Und jetzt warne ich dich wieder. Damals hast du nicht auf mich gehört. Aber jetzt pass genau auf, was ich dir sage, Dominic: Wenn ich auch nur den leisesten Hinweis bekomme, dass du bei dieser Geschichte eine Einmannshow abziehst, schicke ich dich sofort zurück in die Walachei. Hast du mich verstanden?«
»Du meine Güte, das nächste Mal rufe ich dich erst an, nachdem wir beide gefrühstückt haben.«
»Ob du mich verstanden hast?«
Er boxte in sein Kissen, bevor er antwortete. »Ja, Joyce«, sagte er mit zuckersüßer Stimme, »klar und unmissverständlich.«
»Gut. Dann sei ein braver Junge, und geh jetzt frühstücken.«
»Jawohl, Joyce. Danke, Joyce. Ach, und eine letzte Frage noch. Wie macht sich der Kleine?«
»Ich nehme an, du sprichst von Barclay. Er ist in Paris und verfolgt eine Spur.«
»Tatsächlich?«
»Du klingst überrascht.«
»Das bin ich auch. Angenehm überrascht. Felderfahrung, Joyce. Felderfahrung ist durch nichts zu ersetzen.«
»Soweit ich mich erinnere, hat sie dir bei der Operation Silberfisch nicht besonders gutgetan.«
Es herrschte einen Moment Schweigen. Er wartete, dass sie sich entschuldigte. Doch das tat sie nicht.
»Tschüss, Joyce«, sagte er. »Ach, einen Moment noch, leg noch nicht auf. Habt ihr eigentlich herausgefunden, wo Mrs. Capri Khans Zunge gefunden hat?«
»Zwischen den Schenkeln des Models«, erwiderte Joyce Parry ruhig.
»Na bitte! Wie bei dem Nato-General. Erinnerst du dich, wie übel er zugerichtet war? Der gleiche Modus Operandi. Es ist alles wie damals, Joyce, genau wie ich es dir prophezeit habe.«
Er legte auf. Während er sich seine Krawatte umband und in sein Jackett schlüpfte, rekapitulierte er das Gespräch noch einmal und lächelte in sich hinein. Gute, alte Joyce, sie hatte sich nicht verändert. Klug und vorsichtig wie eh und je. Sie wäre nicht dahin gekommen, wo sie heute war, wenn sie sich in prekäre Situationen gebracht hätte. Er hingegen hatte immer Kopf und Kragen riskiert. Und verdammt, einige Dinge änderten sich eben nie. Er hatte vor einer Viertelstunde mit Barclay gesprochen. Er wusste, was dieser getan hatte; er selbst hätte genau das Gleiche gemacht. Lächelnd verließ Elder sein Zimmer und schloss
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