Kassandra Verschwörung
schien, auch die Kirmes. Elder betrat zügigen Schrittes die Metzgerei.
Die Frauen musterten ihn argwöhnisch, als er sich direkt über die Theke beugte, anstatt sich hinten anzustellen.
»Entschuldigen Sie bitte, die Kirmes…« Er deutete auf das an der Tür hängende Plakat. »Ist sie noch in der Stadt?«
Der Metzger, der gerade damit beschäftigt war, etwas einzupacken, warf einen Blick zur Tür. »Tut mir leid, keine Ahnung«, erwiderte er und zog einen Stift hinter seinem Ohr hervor. »So, Mrs. Slattery, war’s das?« Die Frau nickte, und er begann, auf einem Fetzen Papier einzelne Beträge zu addieren. »Das macht dann vier Pfund und fünfzig Pence«, sagte er schließlich.
»Die Kirmes ist Anfang der Woche weitergezogen«, meldete sich eine Stimme aus der Warteschlange. Elder wandte sich der Schlange zu.
»Weiß jemand von Ihnen, wohin?«
Gemurmel und allgemeines Kopfschütteln. »Jemand an der Promenade könnte es wissen. Vielleicht ein Pensionswirt.«
»Stimmt«, sagte Elder. »Danke.« In diesem Moment betrat eine Frau den Laden.
»Hallo, Elsie«, wurde sie von jemandem aus der Schlange begrüßt. »Hast du eine Ahnung, wo die Kirmes hin ist?«
»Sie machen die gleiche Tour wie jedes Jahr«, erwiderte die Frau bestimmt. »Sie sind nach Brighton weitergezogen.«
Sie wunderte sich, dass der Mann sie anstrahlte, bevor er aus dem Laden eilte. »Komische Typen laufen zu dieser Jahreszeit hier herum«, stellte sie fest. »Wirklich komische Typen.« Sie rümpfte die Nase und stellte sich ans Ende der Schlange.
Madame Herault und Barclay kamen bestens miteinander klar. Trotz der Sprachbarriere und des Alters- und Kulturunterschieds war ihm eines klar: dass sie es beide liebten, ihr Croissant in den Kaffee zu tunken.
Sie saßen zusammen am Küchentisch. Hin und wieder rief Madame Herault nach Dominique, und diese rief zurück, dass sie sofort komme. Im Radio lief eine Nachrichtensendung, doch der Moderator sprach zu schnell, als dass Barclay viel hätte verstehen können. Madame Herault gab hin und wieder einen Kommentar ab, zuckte mit den Schultern und wandte sich dann wieder ihrem Kaffee zu. Sie schob ihm den Korb mit den Croissants und den Chocolatines hin und forderte ihn auf zu essen. Er nickte und lächelte und nickte und lächelte. Und aß.
Er hatte in dem Gästezimmer eine unruhige Nacht verbracht. Dominiques Zimmer lag direkt neben seinem, und er hatte ihr Bett auf der anderen Seite der Wand knarren gehört. Sein eigenes Bett war neuer, stabiler, aber so kurz, dass er sich nicht hatte ausstrecken können. Sein Kopfkissen roch muffig, genau wie das Laken und die Decke. Also hatte er es mit der Zeit aufgegeben, an Schlaf zu denken, und war aufgestanden. Von seinem Einkauf in dem Elektronikgeschäft waren noch ein paar Teile übrig, sodass er den Lötkolben eingestöpselt, ein oder zwei Arien aus Figaros Hochzeit gesummt und auf das Heißwerden des Lötkolbens gewartet hatte …
Schließlich kam Dominique in die Küche. Madame Herault schnappte pikiert nach Luft. Barclay blieb ebenfalls beinahe die Luft weg. Dominique trug vorne spitz zulaufende schwarze Schnallenstiefeletten, eine schwarze Strumpfhose, einen schwarzen Minilederrock, ein an den Achselhöhlen eingerissenes weißes T-Shirt mit Farbklecksen. Und mehr Schmuck, als Barclay je außerhalb eines Kaufhauses gesehen hatte. Sie hatte kräftig schwarzen Lidschatten aufgetragen, ihr Gesicht war weiß gepudert, sodass ihre Lippen grellrot hervorstachen. Ihr Haar hatte sie zu einer Igelfrisur gestylt und die einzelnen Stacheln mit Gel oder Haarspray zum Stehen gebracht; an jedem Ohr prangten drei Ohrringe.
Ihre Mutter sagte irgendetwas Bissiges. Dominique ignorierte sie, beugte sich über Barclay, schnappte sich eine Chocolatine, ging zum Herd, goss sich aus einer alten, metallenen Kaffeemaschine Kaffee ein, zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich zwischen ihre Mutter und ihren Gast. Barclay versuchte, sie nicht anzustarren. Er hielt seinen Blick auf die Tischplatte gerichtet, auf ihre Mutter, auf die Töpfe und die sonstigen Gerätschaften, die vor ihm an der Wand hingen. Er roch Patschuliöl und spürte sein Herz rasen. Sie sah wirklich unglaublich aus. Geradezu so, als wäre sie nicht mehr Dominique.
Sie trug ihre Tarnkleidung.
»Ich habe einen Kollegen angerufen«, informierte sie Barclay auf Englisch. »Er stellt Nachforschungen über in Frage kommende Janettas an. Mit ein bisschen Glück gibt es nicht mehr als eine
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