Kassandra Verschwörung
einander an und entspannten sich.
»Das war mehr als knapp«, sagte Barclay.
Dominique zuckte mit den Schultern. »Ich war schon an brenzligeren Orten.«
»In brenzligeren Situationen«, korrigierte Barclay sie. Doch als sie ihn fragte, was an ihrer Ausdrucksweise falsch war, wusste er keine Antwort.
Dann kam der Moment der Wahrheit. Er schaltete die Empfänger ein. Es gab zwei, von denen jeder auf eine eigene lokale Frequenz eingestellt war: einer auf die Wanze im Telefon, der andere auf die unter dem Sofa. Möglicherweise blockierten sie einander oder verursachten eine Rückkopplung, aber er hoffte nicht, dass das passierte. Ein ernsthafteres Problem war, dass sie möglicherweise andere Nutzer der gleichen lokalen Frequenz aufschnappen würden: in der Nähe befindliche Taxis, CB-Funkgeräte... Das Signal fiel schwach aus – ein Rauschen, sonst nichts. Dann ein Husten. Dominique klopfte ihm triumphierend auf die Schulter.
»Das ist er!«, sagte sie. Dann hielt sie sich erschrocken den den Mund zu. Barclay lachte.
»Keine Sorge, er kann Sie nicht hören«, beruhigte er sie. Als Nächstes hörten sie Musik: klassische Musik. Separt summte mit. Barclay kam in den Sinn, dass Separt sie tatsächlich würde hören können, falls er sein Ohr nah genug an die Mikrofone hielte, während sie miteinander sprachen; diese Dinger funktionierten in beide Richtungen. Wie auch Kopfhörer gleichzeitig Mikrofone waren.
»Und jetzt«, sagte Dominique, »bleibt uns nichts anderes übrig, als zu warten.«
»Und zu hoffen«, fügte Barclay hinzu.
»Hoffen?«
»Dass er die Wanzen nicht findet.«
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Machen Sie sich darum keine Sorgen«, sagte sie. »Wenn er sie finden sollte, lassen wir...«
»Ich weiß, ich weiß: Dann lassen wir uns etwas einfallen.« Er sah sie an. »Eine Frage, wussten Sie, dass sich hinter der Tür das Treppenhaus befand?«
Sie lächelte. »Natürlich.«
»Sie hätten mich...«
»Informieren können? Stimmt. Ich hab’s vergessen. Entschuldigen Sie bitte.«
»Keine Ahnung, ob ich das kann«, erwiderte Barclay. Sie beugte sich zu ihm hin und drückte ihm ein Küsschen auf die Wange. Sie roch nach Parfüm. Bisher war ihm das gar nicht aufgefallen. Er blickte in den Rückspiegel und entdeckte einen Lippenstiftabdruck auf seiner Wange. Er lächelte und ließ ihn, wo er war.
Nach einer Stunde fing Dominique an, sich zu langweilen. »Absolut tote Hose«, schimpfte sie.
»Wie mir scheint, sind Sie kein Cricketfan.«
»Cricket? Meinen Sie dieses englische Spiel?«
»Jemanden zu überwachen, erfordert Geduld«, erklärte er.
Das vermutete er zumindest. In Wahrheit hatte er noch nie an einer richtigen Überwachungsoperation teilgenommen oder war wirklich »an der Front« aktiv gewesen. Man hätte ihn vielleicht als einen Experten im Hintergrund bezeichnen können. Aber er hatte in Romanen über Einsätze »an der Front« gelesen und ging davon aus, dass die Autoren wussten, worüber sie schrieben. Außerdem gefiel ihm die Musik, die Separt spielte. Ravel.
Dominique öffnete die Wagentür. »Ich besorge uns Kaffee und was zu essen«, sagte sie.
»Und was ist, wenn sich irgendetwas tut, während Sie weg sind?«
»Dann sind Sie ja da.«
»Ja, aber ich verstehe kein Französisch. Wenn jemand anruft...«
Sie dachte darüber nach, ließ sich mit einem Seufzer in ihren Sitz zurückfallen und knallte die Tür wieder zu.
»Ich kann uns ja etwas zu trinken besorgen, wenn Sie wollen.«
Sie umfasste das Lenkrad. »Wenn ich allein bin, wird mir nur noch langweiliger. Außerdem bin ich nicht wirklich durstig.« Ihr Schmollmund ließ sie wie einen Teenager aussehen. Wie alt sie wohl war? »Hören Sie«, sagte sie plötzlich und kam mit einem Ruck nach vorne. Separts Telefon klingelte. Barclay richtete sich in seinem Sitz auf. Das war der erste Test, ob seine Wanze funktionierte. Die Musik wurde leiser gestellt. Barclay presste einen Finger auf seine Lippen, um ihr zu bedeuten, still zu sein. Das Telefon hörte auf zu klingeln.
»Allô?« Es war Separts Stimme.
»C’est Jean-Pierre.« Der Anrufer war laut und deutlich zu verstehen – sehr zu Barclays Erleichterung. Dominique hörte der Unterhaltung aufmerksam zu und sprach das Gesagte lautlos nach, wie um es auswendig zu lernen. Sie signalisierte ihm, ihr was zum Schreiben zu geben. Er zog einen Stift und seinen Terminkalender aus der Innentasche seiner Jacke und reichte ihr beides. Sie öffnete den Kalender, schlug
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