Kassandras Fluch
seinen Waffenschrank zuraste, ihn aufriß und sich eine Jagdflinte schnappte. »Gleich wird es tote Bullen geben!« keuchte er und fuhr mit dem Gewehr herum.
Da schleuderte Suko den Aschenbecher. Auch er war schwer und vom Tisch gerutscht. Dicht neben Sukos Füßen hatte er gelegen. Der Ascher erwischte Kramer im Gesicht!
Der Mann schrie auf und kippte gegen den Glasschrank, dessen Scheibe nicht zerbrach, wahrscheinlich bestand sie aus Panzerglas. Zum Schuß kam Kramer auch nicht, er blutete im Gesicht, und Suko befreite sich mit einem Sprung. Geduckt hechtete er auf den Waffenhändler zu. Als Kramer sein Gewehr herumschwang, war Suko bei ihm und riß es ihm aus der Hand. Mit dem Kolben stieß er zu. Kramer spürte den Schlag im Genick. In seinem Kopf mußte tausend Sonnen explodieren, die ihn dann hineinrissen in eine gräßliche Schwärze. Bewußtlos fiel er auf den Teppich.
Suko blieb neben ihm stehen und wartete, bis ich mich aus der Klemme befreit hatte. Am linken Oberschenkel hatte ich etwas mitbekommen. Da würde ein blauer Fleck bleiben.
»Er hat es versucht«, sagte Suko, »was mir wiederum zeigt, daß er den Stein trotzdem besitzt.«
»Aber wo?«
»Das ist die Frage.«
Ich überlegte. »Spinosa und Fatima haben die Teile an ihrem Körper getragen, sogar tragen müssen. Sie waren für sie so etwas wie Lebensenergie, bei Kramer kann es einfach nicht anders sein, Suko.«
»Durchsuche ihn.«
Was er uns freiwillig angeboten hatte, taten wir jetzt. Wir durchwühlten seine Taschen, wir faßten in der Kleidung nach, aber der Stein ließ sich nicht finden.
Im Bad hatte Suko einen Verbandskasten entdeckt. Er verpflasterte den Bewußtlosen, und ich wurde allmählich mehr als sauer, weil ich keinen Hinweis fand.
»Er muß ihn bei sich haben«, flüsterte ich. »Es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Wo denn?«
Wir ließen unsere Blicke noch einmal über die halbnackte Gestalt wandern. Es war in der Tat mehr als schwierig, den Stein noch zu entdecken, weil es keine Stelle an seinem Körper gab, die uns nicht einsichtig war.
»Eine Möglichkeit gibt es noch«, sagte ich.
»Und welche?«
»Unter der Haut. Ich kann mir vorstellen, daß er ihn unter der Haut sitzen hat. Man kann diese kleinen Dinge auch einoperieren.«
Suko wurde bleich. Diese Möglichkeit gefiel ihm überhaupt nicht. »Weißt du auch, was das bedeuten würde, John?«
»Ja, wir müßten ihn in ein Krankenhaus schaffen und den Ärzten klarmachen, was sie tun sollen.«
»Die würden sich weigern.«
»Zu Recht.«
Suko hob die Schultern. »Wo kann er diesen verdammten Stein haben?«
Er schaute auf den Liegenden. Soeben hatte es die Sonne geschafft. Sie schleuderte ihre ersten frühmorgendlichen Lichtspeere über das Land und den See. Sie erreichten auch das Fenster, drangen ins Innere des Zimmers und verteilten sich.
Ein Strahl erwischte die rechte Hand des Bewußtlosen und dort den dicken, goldenen Ring, der plötzlich aufblitzte, als wollte er uns ein Zeichen geben.
Suko schnippte mit den Fingern. »Ich glaube, John, daß es noch eine Möglichkeit gibt.«
»Welche denn?«
»Der Ring.«
Ich schüttelte den Kopf, weil ich den Gedankengängen meines Freundes nicht folgen konnte. »Bist du dir sicher?«
»Das nicht, aber schau dir den protzigen Ring an. Er besitzt nicht nur Breite und Länge, sondern auch eine gewisse Höhe. Leicht vorstellbar, daß man ihn auch aufklappen kann.«
Erst staunte, dann grinste ich. »Mensch, Suko, das ist eine Idee. Wenn du recht hast…«
»Moment.«
Er bückte sich und untersuchte den Ring. Den Finger hatte er etwas angehoben. Suko tastete den Ring von allen Seiten ab und schrak plötzlich zusammen.
»Das ist es.«
»Was?«
»Paß auf, John. Man kann es kaum sehen, aber fühlen. So etwas wie ein winziger Nippel.«
Suko bewegte ihn, nicht einmal eine Sekunde später sprang das Oberteil des protzigen Gold rings in die Höhe wie ein Deckel. Das Unterteil war noch vorhanden. Darin lag, völlig harmlos, oval und beigegrün schimmernd, das dritte Teil des Rings, nach dem wir so heftig gesucht hatten…
***
Ich nickte meinem Freund zu, weil ich sah, daß er damit zögerte, den Stein an sich zu nehmen. »Ich glaube kaum, daß er vergiftet ist«, sagte ich grinsend.
»Man kann nie wissen.« Suko klappte ein Taschenmesser auf. Mit der Spitze der Nagelfeile versuchte er es, setzte sie in eine schmale Lücke und gab leichten Druck.
Es klappte, der Stein hob sich an, ohne dabei einen Riß oder Sprung zu
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