Kassandras Fluch
setzte und mit derart brutalen Methoden arbeitete, daß selbst altgediente Polizisten fassungslos vor den Opfern standen.
Kramer dachte anders darüber. Seit einem Jahr tätigte er mit den Triaden Geschäfte und konnte sich nicht über sie beklagen. Sie besaßen eine gute Zahlungsmoral und brachten das Geld gleich mit, wenn sie die Waffen abholten.
Auch an diesem Tag wollten sie kommen, allerdings nach dem Fischen. Kramer dachte darüber nach, was er mit dem Geld anstellen sollte. Er lebte hier in Lichtenstein und war vor irgendwelchen Steuerfahndern relativ sicher.
Die Aktienkurse liefen vor seinem geistigen Auge ab, während er damit beschäftigt war, das Angelzeug zu richten, denn er hatte den Platz fast erreicht, der zu den guten Fischgründen zählte.
Kramer angelte, die Kraft der Sonne nahm an Stärke zu. Sie brannte gegen die Feuchtigkeit, machte den Nebel dünner und sorgte schon für große Lücken an den Ufern.
Zeit verstrich. Kramer lachte einige Male auf, denn er freute sich, wenn einer der Fische angebissen hatte. Die Rotbarben schienen in den letzten Stunden nichts mehr bekommen zu haben, sie schnappten gierig nach dem Köder.
Er fing fünf Fische und ruderte zurück.
Kramer besaß mehrere Häuser. Dieses hier am See, etwas oberhalb gelegen, bezeichnete er als seine rustikale Hütte.
Rustikal stimmte schon, Hütte weniger, denn das Haus besaß innen allen Komfort.
Kramer taute das Boot fest, nahm Angelzeug und auch den Korb mit den Fischen. Er hatte sie nach dem Angeln mit kurzen Schlägen getötet. In wenigen Stunden würden sie in der Pfanne schmoren.
Der Nebel und die Kühle hatten das Gras, das Buschwerk und auch den schmalen Weg feucht gemacht. Die Profile der Sohlen hinterließen Abdrücke, als Kramer auf sein Haus zuging. Eine schmale Straße führte von der normalen ab und endete vor seinem Haus. Er hatte sie selbst anlegen lassen.
Kramer war ein Mensch, der auch innerhalb der Ruhe seine Wachsamkeit nicht verlor. Er ging zwar gemächlich aufsein Haus zu, aber er schaute sich dabei immer wieder um.
Nichts störte ihn, es war normal, daß Nebelschwaden in den Bäumen festhingen, dennoch hatte er das Gefühl, daß dieser Morgen nicht so ablaufen würde, wie er es sich eigentlich vorgestellt hatte. Irgend etwas lag in der Luft.
Hing es vielleicht mit den Triaden zusammen? Das wieder konnte er sich kaum vorstellen. Er hatte sie bisher als korrekte Geschäftspartner kennengelernt. Beide Seiten profitierten von den Geschäften miteinander. Der Grund seiner Unruhe mußte ein anderer sein. Trotz des Grübelns fand er ihn nicht heraus.
Er hätte einen Bogen schlagen und die Zufahrtsstraße nehmen können, darauf verzichtete er. Lieber bewegte er sich wie ein Dieb in der Nacht auf sein eigenes Haus zu.
Kramer kannte jede Pflanze, jeden Grashalm. Trotz der schweren Stiefel bewegte er sich kaum hörbar. Er brauchte noch keine Brille, sein Blick war scharf wie der eines Falken.
Er liebte Vogelbeersträucher, sie schützten seine Behausung als dicht gepflanzte Hecke.
Hinter ihr verhielt er seinen Schritt und wartete ab. Er konnte den Eingang seines Hauses sehen, wenn er über die Sträucher hin wegblickte.
Nichts tat sich auf dem mit Bruchsteinen belegten Vorplatz. Ein Eichhörnchen huschte darüber hinweg, das war alles. Kramer verließ seinen Beobachtungsplatz und ging nach rechts. Das Angelzeug hatte er stehenlassen. Er trug nur mehr einen Korb mit der Beute.
Dann sah er den Wagen. Dunkel lackiert, ein kleiner BMW, der auf Kramers Grundstück stand. Auf den Scheiben hatte sich die Feuchtigkeit abgesetzt. An manchen Stellen rann sie in langen Tropfenbahnen nach unten.
Ob jemand im Wagen saß, konnte er nicht erkennen. Kramer überlegte. Wer so offen zu ihm kam, konnte ihm nicht ans Leben wollen, der versteckte sein Fahrzeug.
Die Chinesen waren es bestimmt nicht. Er erwartete sie erst in den späteren Vormittagsstunden, und sie waren pünktlich, das wußte er. Seine Augen verengten sich, als die Beifahrertür aufgestoßen wurde und ein Mann den BMW verließ. Das war ein Chinese.
Jetzt wunderte Kramer sich doch, blieb allerdings mißtrauisch, denn dieser Mann hatte ihn noch nie kontaktiert. Zwar sahen für die Europäer die meisten Chinesen gleich aus, das stimmte jedoch nicht. Wer sich etwas besser auskannte, der konnte schon Unterschiede feststellen, und diesen Chinesen hatte er noch nie gesehen, auch nicht den Weißen, der ebenfalls den Wagen verließ, sich umschaute und dabei die Arme
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