Kassandras Fluch
die Antwort. »Sie hat etwas vorausgesehen, sie ist nicht umsonst Lady Kassandra genannt worden. Wird sich das erfüllen, was sie und wir sahen?«
»Sprichst du von den Händen, die den Dom dazwischengenommen haben?«
Suko nickte. »Ich denke daran, daß dieses wunderbare Bauwerk zerquetscht werden könnte. Das wäre, John, ein Triumph für Baphometh. Dieser Sieg wäre wahnsinnig.«
Ich schüttelte den Kopf und gab Suko eine Antwort, mit derer bestimmt nicht gerechnet hatte. »Nein, Suko, der Dom wird meiner Ansicht nach nicht zerquetscht werden. Ich glaube eher daran, daß dieses Bild nur symbolisch gewesen war. Es sollte uns zeigen, wo die Gefahr lauert. Was wir daraus machen, müssen wir selbst entscheiden. Jedenfalls haben wir wieder eine Reise vor.«
Suko wollte die Stationen unserer bisherigen Reisen in diesem Fall aufzählen, ließ es aber bleiben, weil er Kassandras Stimme hörte, die schluchzend an unsere Ohren drang. »James, keiner will mir glauben, keiner wird mir glauben.« Lady Kassandra hatte sich halb aufgesetzt und ihre Hände in die Schultern des Superintendenten gekrallt. Über ihr Gesicht rannen Tränen, sie war verzweifelt.
Neben unserem Chef blieben wir stehen. »Doch, wir glauben dir, Agathe. John, Suko und ich. Wir haben gesehen, was plötzlich zwischen deinen Handflächen entstand.«
»Eine Kirche«, hauchte sie, »ein berühmtes Bauwerk. Über ihm schwebte der Schatten des Teufelanwärters. Ich habe es genau gespürt, es war einfach grauenhaft.«
»Wir werden etwas tun.«
»Was denn?« schrie sie, »was wollt ihr tun? Was könnt ihr überhaupt tun?«
»Das laß unsere Sorge sein. Freu du dich darüber, daß dich deine alten Kräfte noch nicht verlassen haben. Das ist doch auch etwas — oder nicht?«
»Schon, James, schon. Ich fühle mich nur so hilflos. Ich weiß es, aber ich kann nichts tun, und das ist das Schlimme an der Sache. Ich bin Kassandra, und ich fühle mich verflucht. So verflucht wie selten in meinem Dasein.«
»Sir«, sagte ich, »finden Sie nicht, daß wirendlich zur Sache kommen sollten?« Er richtete sich auf.
»Ja, das meine ich auch. Wir reden noch zusammen, Agathe.«
Lady Kassandra erwiderte nichts, ich aber zog Suko und meinen Chef ein Stück zur Seite. »Wenn ihr Sehen zutrifft, haben wir es mit einer Gefahr zu tun, die den Kölner Dom angeht. Und weiterhin muß dieser Bulgare dahinterstecken.« Da niemand widersprach, fuhr ich mit meinen Bemerkungen fort. »Dieser Bulgare bedeutet also eine große Gefahr. Eine erkannte Gefahr ist nur eine halbe. In diesem Fall stimmt das geflügelte Wort leider nicht, weil ich nicht weiß, wie der Mann aussieht, und Suko ergeht es ebenso. Sie, Sir, müßten es wissen.«
»Nein, denn auch an ihm sind die Jahre nicht spurlos vorbeigegangen. Er wird sich verändert haben.«
»Das ist mir klar, Sir. Existiert ein Foto von ihm?«
Der Superintendent schaute mich fast schon traurig an. »John, ich bitte Sie. Der Bulgare ist wie ein Schatten, er taucht auf und wieder ab. In Geheimdienstkreisen gehört er zu den gefährlichsten Agenten. Man weiß ja nicht, für welche Seite er arbeitet. Der ist wie ein Hecht im Karpfenteich. Es gibt keine Autnahmen von ihm, das steht einwandfrei fest.«
»Dann sind wir vom Glück abhängig, wenn wir nach Köln fahren.«
»Sicher. Sie kennen die Stadt ja und auch die unmittelbare Umgebung des Doms.«
»Ja, sogar die Altstadt.«
»Allerdings frage ich mich, wie dieser Bulgare den Dom zerstören will«, sagte Suko. »Das Bild war nicht echt. Es werden keine zwei großen Hände entstehen, die das Bauwerk zertrümmern. Dieser Bulgare wird es auf eine andere Art und Weise versuchen. Da kommen mir zwei Möglichkeiten in den Sinn. Entweder durch Magie, oder er versucht es mit der nackten Gewalt.« Suko schaute Sir James an. »Was halten Sie für wahrscheinlicher?«
»Da muß ich weit zurückdenken«, murmelte der Superintendent. »Wir sind nie direkt aufeinander getroffen und haben uns nur aus der Ferne bekämpft. Ich kann nicht viel über diese schillernde Gestalt sagen.«
»Hat er sich damals schon mit Magie beschäftigt?«
»Wahrscheinlich halbherzig, als er meiner Frau den Ring abnahm.« Sir James wich etwas vom Thema ab. »Es muß sich für Sie beide ungewöhnlich anhören, wenn ich von meiner Frau spreche, aber das trifft nun mal zu. Wir sind verheiratet, auch wenn ich darüber nie gesprochen habe, denn ich wollte mein Privatleben immer außen vor lassen. Ich möchte Sie nur um eines
Weitere Kostenlose Bücher