Kastner, Erich
zusammen. »Herr Kommissar, Inspektor Krüger schickt uns. Wir sollen Ihnen einen Mann vorführen, den wir im Kaufhaus des Westens aus einem Schaufenster herausgeholt haben. Stören wir? Der Inspektor meinte, hier seien Herrschaften, die den Mann identifizieren und auch sonst zweckdienliche Angaben machen könnten.«
»Warum bringt ihr denn nicht gleich das ganze Untersuchungsgefängnis mit?« fragte der Kommissar. »Also herein mit dem Kerl!«
Der Wachtmeister rief etwas in den Korridor hinaus und trat zur Seite. Etliche Polizisten führten einen älteren, elegant gekleideten Herrn ins Zimmer. Er war glattrasiert, schaute sich gelassen um und runzelte, als er Joachim Seiler entdeckte, die hohe Stirn.
Hinter den Beamten schusselte der kleine dicke Komponist Struve ins Zimmer. Die blonde Mähne hing ihm in Strähnen ins Gesicht.
Und die Krawatte war arg verrutscht. »Ich hatte gehofft, Sie niemals wiederzusehen«, sagte er streng zum Kommissar. Dann begrüßte er die anderen. Zuletzt seinen Freund Seiler. »Menschenskind, hoffentlich habe ich den Richtigen aufgetrieben.«
»Es ist der Richtige«, erwiderte Seiler. »Der weiße Bart ist zwar verschwunden, und die dunkle Brille auch. Doch der Herr, der so gern Briefe schreibt, ist übriggeblieben.«
»Wahrhaftig«, flüsterte Irene Trübner. »Jetzt erkenne ich ihn auch wieder.«
»Der Herr aus der Pension Curtius!« erklärte Fleischermeister Külz überrascht. »So muß ich Sie wiedersehen!«
»Ich hätte uns gern den Anblick erspart«, entgegnete der Verhaftete zuvorkommend.
Der Kriminalkommissar fragte: »Wie heißen Sie?«
»Professor Horn.«
»Sollten Sie sich da nicht irren?« fragte der Kommissar. »Wäre es nicht ebensogut möglich, daß Sie gar kein Professor sind und Klotz heißen?«
»Auch das ist möglich«, sagte der Bandenchef. »Es wäre unhöflich, Ihnen zu widersprechen.«
»Ein ungewöhnliches Zusammentreffen«, behauptete der Kommissar. »Es ist zwar schon oft vorgekommen, daß Ihre Firma einen Diebstahl beging und daß wir Sie nicht gekriegt haben. Aber daß Ihnen ein Diebstahl mißlang und wir Sie trotzdem erwischt haben, ist neu.«
»In der Tat«, meinte der Professor. »Ein Novum! Daran ist der junge Mann schuld.« Er wies auf Seiler. »Ich glaubte, bis ich dieses Zimmer betrat, er sei ein Konkurrent von uns. Und nun muß ich zu meinem Bedauern feststellen, daß er seine Talente als sogenanntes nützliches Glied der sogenannten menschlichen Gesellschaft vergeudet.« Er blickte Seiler spöttisch an. »Es berührt mich schmerzlich, Sie in dieser Umgebung zu sehen. Sie berauben sich vieler Abenteuer und verscherzen sich eine große Zukunft.« Er zuckte die Achseln.
»Ich schlage vor, daß man mich von hier entfernt. «
»Ein Vorschlag, der vieles für sich hat«, sagte der Kommissar und gab den Polizisten einen Wink. Sie verließen mit Herrn Klotz das Zimmer. – Struve wurde von dem Kommissar wegen seines Erfolges als Kriminalist belobigt.
Der Komponist wehrte die Komplimente ab. »Ich hab’s ja nur getan, weil mir Seiler versprochen hat, mir nun den Kerl zu zeigen, der sich widerrechtlich meines Namens bedient hat. Damit ich endlich die Ohrfeigen loswerden kann, die in mir schlummern.«
»Sie wissen nicht, wer der falsche Struve war?« fragte Irene Trübner verblüfft.
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Struve.
Külz schmunzelte. »Na, da können Sie ja nun Ihre Backpfeifen an den Mann bringen.«
»Was denn?« Der kleine dicke Musiker starrte den Fleischermeister an. »Der Bursche ist hier im Zimmer?«
Die anderen nickten.
»Seiler«, murmelte Struve. »Wer von den Anwesenden war’s?
Schnell! Spanne mich nicht auf die längst abgeschaffte Folter!«
»Ich war es selber!« antwortete der junge Mann. »Rudi, nimm mir’s nicht allzu übel. Mir fiel gerade kein anderer Name ein. So, und jetzt hau kräftig zu. Ich verspreche dir, nicht wiederzuhauen.«
Struve lächelte verlegen. Dann gab er Seiler einen kräftigen Rippenstoß und meinte: »Unter Freunden? Nee. Nun steh ich mit meinen zwei latenten Ohrfeigen in der Beuststraße und weiß nicht, wohin damit!«
»Das muß ein scheußlicher Zustand sein«, meinte der alte zierliche Herr Steinhövel.
Der Kommissar war gegangen, um die Zivilbeamten, die das Versicherungsgebäude noch immer mit Argusaugen bewachten, heimzuschicken.
Herr Steinhövel hatte nach seinem Wagen telefonieren lassen. Sie saßen und warteten. Külz schilderte dem Komponisten die Abenteuer, die Seiler
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