Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
kennt ihre Gestalt. Niemand weiß, woher sie stammten und wohin sie gingen. In meinen jüngeren Jahren habe ich eine gewisse Zeit damit verschwendet, die Legenden zu sammeln, die man sich unter den Völkern über jene Epochen erzählt, bevor sie die Tore passierten. Aber es sind eben nur Legenden – Geschichten, die mit der Wirklichkeit kaum etwas zu tun haben. Das einzige Wesen, das alt genug ist, sich an eine Welt jenseits der Tore zu erinnern, dürfte der Urdrache Yyuum sein, und wie es scheint, wird er schon bald erwachen. Aber ich glaube kaum, dass er uns Auskunft darüber geben wird, wie die Welten jenseits der kosmischen Tore beschaffen sind.“ Der Tonfall Liishos hatte sich bei den letzten Worten verändert. „Nicht einmal mir, der ich schließlich einen direkten Nachfahren des Urdrachen reite, auch wenn der es in Größe und Geisteskraft natürlich nicht im Entferntesten mit Yyuum aufzunehmen vermag …“
„Yyuum?“, fragte Bratlor. „Ich habe in der Bibliothek der Sternenseherschule von Seeborg viel über ihn gelesen, aber ich hatte nie den Eindruck, dass dieses Wesen mehr ist als ein Ungeheuer, über das Geschichten erzählt werden, die den Tod einiger Helden verklären sollen.“
„Oh, da irrst du dich, seemannischer Narr. Da irrst du dich gewaltig. Yyuum existiert wirklich. Ich weiß es - denn ich war dort, in den Höhen des mitteldrachenischen Gebirges, das sich wie der Rücken eines Drachen von Nordost nach Süden über die Grenze nach Tajima zieht, wo er an das Dach der Welt anstößt. Yyuum existiert wirklich, er liegt unter diesem Gebirge begraben. Aber schon seit einigen Generationen erzittert dort immer wieder die Erde, sodass außer einem Volk von Bergaffen sich kaum noch eine Kreatur traut, diese Gegend zu betreten. Wie sich inzwischen schon bis zu den drachenischen Untertanen herumgesprochen hat, besitzt der Usurpator Katagi nur noch zwei der drei Drachenringe, mit denen die Drachen Drachenias geknechtet und dazu gebracht werden, den Drachen-Samurai zu gehorchen. Einen dieser Ringe hat Yyuum durch den Diebstahl eines Affen, der von ihm geistig beeinflusst worden sein muss, in seinen Besitz gebracht.“
Liisho wandte sich an Rajin. „Das Alles lässt nichts Gutes erwarten. Über die Pläne des Urdrachen kann man nur spekulieren, und noch scheint der Prozess seines Erwachens nicht abgeschlossen zu sein. Wenn das geschehen ist, wird der mitteldrachenische Bergrücken auseinanderbersten und sich ein Ungeheuer erheben, wie es die Welt seit dem Ersten Äon nicht mehr gesehen hat – wobei zu bedenken ist, dass Drachen ihr ganzes Leben lang wachsen und natürlich auch der Urdrache Yyuum während seines langen Schlafes nicht damit aufgehört hat. Er dürfte seine frühere Größe inzwischen noch weit in den Schatten stellen. Eine Bewegung von ihm löst ein Erdbeben aus, Länder, die er betritt, würden absinken und teilweise mit Wasser überflutet werden, und wenn er im Ozean badet, würde das eine Flutwelle auslösen, die innerhalb eines Tages einmal um die ganze Welt rasen würde. Die Bevölkerungen ganzer Reiche wären auf der Flucht vor ihm. Doch das Alles wäre nicht einmal das Schlimmste an der Sache …“
Liisho sprach mit einem solchen Ernst, dass Rajin mit Schaudern erkannte, wie nahe der Weise diese Gefahren bereits wähnte. Er wandte sich Rajin zu und bedachte ihn mit einem Blick, der so eindringlich war, dass Rajin das Gefühl hatte, Eiswasser würde ihm über den Rücken rieseln. „Das Schlimmste ist, Rajin, dass Yyuum die Herrschaft über die gesamte Drachenheit einfordern wird. Der Diebstahl des Rings war nur der Anfang, und wäre es nicht ein gar so einfältiges Geschöpf wie dieser Affe gewesen, das er mit dem Diebstahl beauftragt hätte – wer weiß, vielleicht befänden sich dann jetzt bereits alle drei Ringe im Besitz des Urdrachen. Was glaubst du wohl, was geschieht, wenn die Drachen allerorts gegen ihre Herren rebellieren? Wenn sie ihre Reiter mit ihrem Feuer versengen, anstatt den Dracheniern zu gehorchen? Wenn sie sich nicht mehr mit der Fütterung mit Stockseemammut zufrieden geben, sondern das Fleisch von Menschen oder Magiern begehren? Seit Generationen schon wird es schwieriger, Drachen zu zähmen und sie unter dem Willen ihrer Reiter zu halten. Ich habe mehreren Kaisern von Drakor gedient und kann es beurteilen. Diese Geschöpfe spüren, dass da in den Bergen Mittel-Drachenias etwas vor sich geht, das die Welt verändern und die Verhältnisse vollkommen
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