Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
des Seereichs leuchten, ist dir wohl auch nicht verborgen geblieben.“ Der Sternenseher wandte sich Rajin zu. „Denkst du nicht, du wüsstest darüber Bescheid, hätte man in der Nacht, da man dich fand, einen Drachen gesehen?“
„Wie du schon erwähntest", sagte Liisho, und diesmal klang er schon recht ungemütlich, "du warst damals nicht in Winterborg, und auch wenn man dich an der Sternenseherschule alles Mögliche an zauberischem Halbwissen gelehrt haben mag – ich bezweifle, dass du wirklich zu beurteilen vermagst, was geschah!“
„Es ist weder Halbwissen noch Zaubererei, was man mich dort lehrte, sondern wahres Wissen!", entgegnete Bratlor heftig. "Man lehrte mich, der Logik des klaren Gedankens und dem Verstand zu vertrauen und mich nicht durch Vertreter des allgegenwärtigen Aberglaubens in die Irre führen zu lassen!“
„Ach – und einen solchen siehst du in mir?“
„Das muss sich noch erweisen. Aber ich bin nicht bereit, Lügen zu akzeptieren, selbst wenn du sie aus Rücksicht auf Bjonns – Rajins! – Gemüt erzählen magst", sagte Bratlor und fuhr dann fort: "Die Wahrheit ist doch die, dass du Rajin seinem Schicksal überlassen hast. Er war einer von fünf Prinzen, das hast du selbst gesagt. Einer wird schon überleben, hast du dir gedacht, und es war dir völlig gleichgültig, welcher von ihnen das sein würde und was den anderen widerfährt.“ Bratlor erhob sich. Er atmete tief durch, er war offenbar ziemlich erregt. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand deutete er auf den Weisen, doch seine nächsten Worte waren wieder an Rajin gerichtet. „Dieser Zauberer dort benutzt Menschen wie Spielfiguren im Drachenreiter-Schach, das ich in den Hafentavernen von Jandrakor kennenlernte. Bei diesem Spiel geht es darum, unwichtige Figuren für den Sieg zu opfern, den Gegner aber glauben zu machen, sie wären ungemein wichtig für die eigene Strategie und die nächsten Spielzüge. Sei auf der Hut, Bjonn. Ich fürchte, dass dieser angebliche Weise genau dies auch mit dir vorhat!“
Mit diesen Worten verließ Bratlor Sternenseher die Höhle. Er wollte wohl einfach nicht mehr zusammen mit Liisho, den er für einen Lügner hielt, an einem Ort sein.
Rajin sah ihm unschlüssig nach.
„Draußen in der Kälte wird sich sein Gemüt schnell abkühlen", gab sich Liisho überzeugt. "Dann wird er wieder zur Vernunft kommen.“
„Hat er recht?“, wollte Rajin wissen, und der Tonfall, in dem er die Frage stellte, schien den Weisen zu überraschen.
„Du kennst mich!", entgegnete Liisho hart. "Du kennst mich, seit deine Seele erwachte! Ich war in allen wichtigen Augenblicken deines Lebens bei dir! Glaubst du wirklich, ich könnte dir irgendetwas Schlechtes wollen oder dein Schicksal wäre mir gleichgültig gewesen?“
„Du brauchst mich.“
„Die Bewohner Drachenias brauchen dich! Die Menschen aller fünf Reiche brauchen dich! Die ganze Welt braucht dich! Reicht das nicht, um sich bedeutend genug zu fühlen? Ich verfolge keine eigenen Interessen, Rajin. Ich diene nur dem Gleichgewicht und der Ordnung der Welt – einer Ordnung, die ich zwar trotz all meiner Studien gerade einmal in Ansätzen zu verstehen glaube, von der ich aber weiß, wie sehr sie durch die Kräfte des Chaos bedroht ist. Und nun will ich dir sagen, wie es in jener Nacht wirklich war. Und wenn du willst, kann ich es dir auch zeigen."
"Du willst es mir zeigen?", fragte Rajin überrascht.
"Indem ich dir einen Traum sende“, erklärte Liisho.
„Wer garantiert mir, dass der Traum wahr ist?", fragte Rajin misstrauisch. "Nein, das hätte keinen Sinn. Du selbst hast gesagt, dass es keine leichtere Zauberei gäbe, als Menschen sehen zu lassen, was sie sehen wollen.“
„Da hast du recht, Rajin", stimmte Liisho ihm zu. "Davor gibt es keinen Schutz, nie und für niemanden. Nicht für mich und nicht für die Götter – und auch nicht für deinen Freund Bratlor, der seiner Vernunft und der Logik der Gedanken vertraut, die sich in Wahrheit doch genauso täuschen lassen wie der einfältigste Bauer in seinem Aberglaube.“
„Dann erzähl mir von jener Nacht", erklärte sich Rajin einverstanden. "Ich werde entscheiden, was ich dir glaube.“
Liisho atmete auf. Er nickte leicht. „Das ist klug, Rajin. Vertrau auf dich selbst. Bisher konnte ich dir einflüstern, was richtig ist, aber das geht jetzt nicht mehr. Du musst deine eigene innere Stimme finden und ihr lauschen. Und ich kann nur hoffen, dass sie dich in die richtige Richtung führt.
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