Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
der Sterblichen meiden mein Reich, wie es in Kinderversen besungen wird, und ich meide inzwischen auch sie, denn sie sind mir zuwider geworden. Nur hin und wieder schlage ich einem Verdammten einen Handel vor …“
„Warum nennst du mich einen Verdammten?“
„Weil du es von nun an sein wirst. Von diesem Augenblick an, da ich dir etwas anbiete, was kaum ein Sterblicher auszuschlagen vermag. Und schon gar nicht einer wie du, der den Namen Die-Augen-die-sehen trägt und dessen Augen noch längst nicht genug gesehen haben …“ Er trat näher. „Ich gebe dir Lebenskraft für ein ganzes Zeitalter, wenn deine Seele anschließend mir gehört und mir die einsamen Stunden auf dem Augenmond vertreibt!“
Mir schauderte, zumal mir bewusst war, dass er sein Angebot wirklich ernst meinte. Ich willigte ein, und am nächsten Tag erwachte ich mit neuer Kraft und einem eisernen Ring um das linke Fußgelenk, wie Gefangene sie tragen. Ich wandte mich an den kaiserlichen Schmied Lanjin, der es trotz Anwendung seiner ganzen Kunst nicht vermochte, mich von diesem Ring zu befreien, es sei denn, er hätte mir den Fuß abgeschlagen. Das Metall und seine Verarbeitungsweise waren ihm vollkommen unbekannt, und er war sich sicher, dass es sich auch nicht um eine jener besonderen Legierungen handelte, deren Geheimnisse die Schmiede Feuerheims seit ewigen Zeiten für sich bewahren. Ebenso rätselhaft waren die in das Metall gravierten Zeichen. Schriftzeichen, die weder der in Drachenia gebräuchlichen Schrift noch den Runen der Seemannen oder den Alphabeten von Magus, Feuerheim oder Tajima ähnelten. Eine Schrift der Vergangenheit, so dachte ich, die wahrscheinlich Zauberkraft besitzt – aber selbst in Ezkor, wo die Priesterschaft des Unsichtbaren Gottes die mit Abstand größte Bibliothek des Drachenlandes unterhält, wurde ich nicht fündig.
So war es wohl mein Schicksal, ein Gefangener des Traumhenkers zu sein.
Sein Wort hielt er.
Meine Lebensspanne hat jedes menschliche Maß überschritten, und selbst die Angehörigen des Magier-Volkes, deren Blut ja auch in meinen Adern fließt, können sich nicht über so lange Zeit am Leben erhalten, auch bei all ihren Elixieren und Zaubertränken nicht!
Aber ich weiß, dass irgendwann, wenn die Augen, die sehen, alles gesehen haben, der Traumhenker seinen Preis einfordern wird. Der Ring an meinem Fußgelenk erinnert mich jeden Tag daran – ebenso wie jeder Blick zum Nachthimmel, nachdem der Augenmond aufgegangen ist und wie das Gesicht des Todverkünders auf mich herabblickt – mein Beschützer und mein Verderben zugleich. Ein Verdammter bin ich, aber auch ein Gesegneter, denn niemand hat so viel gesehen und erfahren wie ich. Niemand konnte dieses Maß an Weisheit in seiner Seele aufhäufen. Der Gedanke, dass all dies einst die Beute des Axtmannes sein wird, macht mich rasend, wenn ich nur daran denke.
Aber wer weiß? Vielleicht wird eher der Schneemond auf die Welt fallen und damit das Fünfte Äon und die Geschichte selbst beenden, als dass mich der Schlafbringer zu sich holt. Dann wird ohnehin alles, was je gedacht, je gesagt und je geschrieben wurde, dem Großen Vergessen anheimfallen. Die Priester in der Heiligen Stadt Ezkor glauben, dass der Unsichtbare Gott die Kraft hätte, den langsamen Fall des Schneemondes aufzuhalten. Aber ich fürchte, ich habe inzwischen meinen Glauben verloren.
Vielleicht liegt es daran, dass ich mich durch meinen Handel einem anderen Gott verschrieben habe. Einem, von dem es in den alten heidnischen Schriften heißt, dass der Tag des Schneemond-Sturzes sein größter Feiertag sein wird, denn dann gäbe es so viele herrenlose Seelen, dass selbst der ungeliebte Traumhenker einige davon bekommen wird!
Aus den Schriften des Weisen Liisho
Ich werde die Schreie der Sterbenden nie vergessen, die erklangen, als der Usurpator Katagi mit seinen Getreuen den Kaiserpalast überfiel. Ein Teil der Drachenreiter-Samurai hatte sich mit ihm in einer schändlichen Verschwörung verbündet. Die Schreie der Sterbenden mischten sich mit dem Brüllen der Kriegsdrachen, doch der Kampf um den Palast dauerte nicht lange. Ich sah, wie Katagi selbst Kaiser Kojan mit einem Speer durchbohrte und der Kaiserin Minjanée den Kopf abschlug.
Mir aber entriss man das Kind, das ich auf dem Arm trug, und schlug seinen Kopf gegen eine Marmorsäule, da man annahm, es handele sich um Prinz Rajin. In Wahrheit war es mein eigenes Kind, dessen Geburt es mir ermöglicht hatte,
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