Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
sich immer wieder mit dem Juwel auf der Säule und ließ darauf die geheimnisvollen Zeichen erscheinen, indem er das Juwel mit den Händen berührte. Dann schüttelte er jedes Mal den Kopf und legte die Stirn in Falten, manchmal murmelte er auch etwas Unverständliches vor sich hin, was ganz bestimmt nicht dem Wortschatz der drachenischen Sprache entsprang.
Auf einmal kniff Liisho die Augen zu, so als würde er sich sehr auf etwas konzentrieren. „Sie sind auf dem Weg hierher", sagte er auf einmal. "Sie kommen, Rajin - um dich zu töten!“ Er schlug die Augen wieder auf, starrte Rajin an. „Ich spüre, dass sich viele Drachen nähern. Die Kälte dämpft ihre Geisteskräfte, und dennoch kann ich sie genau ausmachen!“
„Aber du denkst, dass sich das Tor öffnet, bevor sie hier sind?“, vergewisserte sich Rajin.
Aber da war sich Liisho offenbar längst nicht mehr so sicher, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. „Ich brauche das Licht des Meermonds, und der schickt seinen Schein erst wieder kommende Nacht durch die Öffnung in der Höhlendecke - da beißt keine Riesenschneeratte ein Tau ab.“ Die letzten Worte hatte er in einem sehr akzentschweren Seemannisch hervorgebracht, dennoch hatten ihn sowohl Rajin als auch Bratlor verstanden. „So sagt ihr doch hier auf Winterland, oder?“, fragte der Weise, als die beiden ihn verwundert anstarrten.
„So hat man vielleicht zu Zeiten von Wulfgar Eishaar geredet“, widersprach Bratlor. „Aber selbst die Uralten sprechen nicht mehr so.“
Liisho zuckte mit den Schultern. „Mag sein, dass ich die seemannische Sprache nicht perfekt beherrsche. Um ehrlich zu sein, ich war nicht mehr hier, seit ich Rajin in der Nähe von Winterborg aussetzte.“ Dann wandte er sich direkt an Rajin. „Du sollst wissen, dass ich dich nicht einfach so deinem Schicksal überlassen habe. Ich habe die Winterborger einer eingehenden Prüfung unterzogen, habe mich unter sie gemischt, um genau zu erfahren, zu welchen Leuten ich dich gebe. Ich wollte sicher sein, dass du es gut hast und in Liebe aufgezogen wirst.“
Rajin schaute ihn an und fühlte auf einmal einen Kloß im Hals, sodass er nicht in der Lage war, sofort zu antworten. Alles, was mit seiner Herkunft und den Umständen seiner Aussetzung zu tun hatte, verursachte ein seltsames Unbehagen in ihm. Was Liisho ihm darüber in den Traumgeschichten mitgeteilt hatte, die ihn all die Jahre über heimgesucht hatten, war recht nebulös gewesen. Das meiste davon war wie ein Strudel von wirren Erinnerungen, die bereits in Auflösung begriffen waren.
„Du willst dich unter die Winterborger gemischt haben?“, fragte jedoch Bratlor, und sein Tonfall war nicht ohne Schärfe. „In jenen Jahren war ich nicht in Winterborg, sondern auf Reisen. Aber wenn damals ein Drachenier nach Winterborg gekommen wäre, so hätte man mir das noch Jahre später zweifellos erzählt. Und die Legendensänger des Kapitänsrats hätten darüber auf jeden Fall Lieder gedichtet. Was glaubst du, wie oft sich Fremde nach Winterland verirren? Schon das Eintreffen eines Schiffs aus Storgard, Witborg oder Borghorst ist ein Ereignis. Dass unsere Männer mit ihren Schiffen an ferne Küsten gelangen, kommt da schon häufiger vor – aber umgekehrt? Selbst das Heiligtum des Fjendur und diese Orakelhöhle sind außerhalb Winterlands kaum bekannt. Fjendur gilt im Rest des Seereichs nicht als ein Gott, der Njordir ebenbürtig ist!“
Liisho nickte wissen. „Die Menschen dort wissen nun mal nicht, wie machtvoll und unerbittlich die Kälte sein kann“, erwiderte er. „Der Mensch neigt dazu, zu verehren, was er fürchtet. Aber wie auch immer - du bezichtigst mich der Lüge, aber das sei dir verziehen, weil du nur aus Besorgnis um Rajin so sprichst.“
„Dessen kannst du sicher sein! Den Legendensängern mag es gestattet sein, die Taten der alten Helden auszuschmücken – aber dir nicht! Du bist Rajin die Wahrheit schuldig!“
„Ich habe die Wahrheit gesprochen. Ich mischte mich tatsächlich unter die Einwohner Winterborgs. Menschen sehen zu lassen, was sie sehen wollen, ist eine der einfacheren Spielarten der Zauberei; dafür braucht man kein Magierblut in den Adern zu haben. Ich habe die Gabe, in der Menge nicht aufzufallen.“
„Und deinen Drachen? Ich nehme doch an, dass du auf seinem Rücken gereist bist?“
„Es war Nacht, und er war nicht mehr als ein Schatten.“
„Die Nächte sind zumeist klar über Winterborg. Und wie stark die Monde in diesem Teil
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