Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
Liisho, dessen wahres Alter so schwer zu schätzen war, rieb sich die Hände und zitterte wie Espenlaub.
Rajin bemerkte den Metallring um seine linke Fußfessel, und wechselte einen Blick mit Bratlor, dem der etwa handbreite Ring ebenfalls aufgefallen war. Daran, dass es sich um den Fußring eines Gefangenen handelte, bestand kaum ein Zweifel, auch wenn das Metall sehr fremdartig wirkte, ebenso wie die eigenartigen Schriftzeichen, die darin eingraviert waren.
Rajin fasste sich schließlich ein Herz und fragte: „Hast du in den Kerkern Katagis schmachten müssen?“
Liisho runzelte die Stirn, dann sagte er unwirsch: „Halten wir uns nicht mit irgendwelchen Fragen auf, deren Beantwortung getrost noch warten kann.“
„Ich finde, ich habe ein Recht darauf, endlich die ganze Wahrheit zu erfahren“, beharrte Rajin.
„Du hast vielleicht ein gewisses Recht darauf, alle Fragen beantwortet zu bekommen, die etwas mit dir und deiner Bestimmung zu tun haben", entgegnete Liisho, "aber ich sehe keine Veranlassung, dir gegenüber jede Einzelheit meines Lebens auszubreiten.“
Rajin ließ nicht locker. „Und wie soll ich dir da vertrauen?“
„Du hast gar keine Wahl, Rajin! Wie bisher auch schon nicht. Aber sei unbesorgt. Alles, was du wissen musst, wirst du auch erfahren. Zur rechten Zeit. Denn ich habe ein sehr dringendes Interesse daran, dass du deine Mission auch erfüllst.“
„Die wohl darin besteht, als Erbe meines Vaters den Thron Drachenias zu besteigen“, schloss Rajin.
Liisho nickte. „So ist es.“
„Auf den Gedanken, dass es mir vielleicht völlig gleichgültig sein könnte, wer auf dem drachenischen Thron sitzt, bist du wohl nicht gekommen.“
„Ich habe es nicht einmal in Erwägung gezogen", gestand Liisho, "denn ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass es dir keineswegs gleichgültig ist, ob ein furchtbares Unglück über die Welt kommt. Schließlich bin ich seit deiner Geburt in Gedanken bei dir und habe dich zumindest zum Teil erziehen können – wenn ich jetzt auch mit Entsetzen feststellen muss, dass der Einfluss dieser seemannischen Barbaren offenbar doch größer war, als ich gedacht habe. Aber jetzt will ich erst mal, dass es wärmer wird.“ Er deutete auf die umgestürzte Säule, auf der sich das Juwel befunden hatte. „Helft mir und stellt die Säule wieder auf!“
„Sie ist zerbrochen“, erklärte Rajin nüchtern.
„Wollt Ihr zwei lange Reden schwingen, während ich in der Zwischenzeit erfriere? Stellt sie schon wieder auf! Ich würde es ja selbst tun, wenn mir vor lauter Kälte die Arme nicht so steif geworden wären, dass ich mich kaum noch zu bewegen vermag!“
Also hoben Rajin und Bratlor die umgestürzte Säule auf und stellten sie wieder auf den abgebrochenen Stumpf. Rajin war von der Leichtigkeit des Materials überrascht. Er hatte geglaubt, die Säule bestünde aus einem marmorähnlichen Stein. Aber offensichtlich sah sie nur so aus und war in Wahrheit aus einem Material mit ganz anderen Eigenschaften.
Als die Säule wieder aufrecht stand, wuchs sie mit dem Stumpf zusammen. Die Bruchstücke verschmolzen miteinander, und im nächsten Moment war nichts mehr davon zu sehen, dass das Riesenfaultier sie mit der rohen Gewalt seines Gewichts zerbrochen hatte.
Liisho aber bückte sich nach dem Juwel und nahm es in beide Hände. Er legte es auf der Säule ab und berührte es an ganz bestimmten Punkten. Woran er diese zu erkennen vermochte, war für Rajin ein Rätsel, denn für ihn sah die Oberfläche des Juwels zunächst überall gleich aus.
Das Juwel leuchtete auf einmal mit einer Intensität auf, die in den Augen schmerzte. Zeichen erschienen auf der Oberfläche, und Liisho berührte einige von ihnen.
Daraufhin nahmen die Wände der Höhle eine feuerrote Färbung an. „Es wird jetzt etwas wärmer werden“, versprach Liisho. „Wir werden warten müssen, bis in der nächsten Nacht der Meermond sein Licht durch die Öffnung in der Höhlendecke schickt.“
„Warten?“, fragte Rajin stirnrunzelnd. „Es wäre gut, wenn du uns in deine Pläne einweihen würdest.“
„Wenn mir etwas wärmer geworden ist. Davon abgesehen habe ich Hunger und nicht die Absicht, den ganzen nächsten Tag hungrig zu verbringen.“ Er deutete auf den Kadaver des Riesenfaultiers. „Der Bursche da mag uralt sein, aber ich nehme an, dass sein Fleisch trotzdem genießbar ist.“ Er bedachte Rajin und Bratlor – und vor allem ihre Waffen – mit einem abschätzigen Blick und seufzte dann
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