Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
dreißig Schritt sah Rajin den Drachenreiter-Samurai, den Bratlors Pfeile niedergestreckt hatten, in seltsam verrenkter Haltung am Boden liegen. Rajin schnellte hoch, ließ aber seinen Anderthalbhänder liegen; die schwere Waffe hätte ihn nur behindert. Er rannte los, während sich der reiterlose Drache zunächst in Richtung Orakelhöhle entfernte und dort wild mit den Flügeln schlug. Es gelang ihm, seinen Flug zu beruhigen, wieder Kontrolle über sich selbst zu erlangen, dann zog er einen Bogen und kehrte zurück.
Rajin hatte unterdessen die Leiche des Drachenreiter-Samurai erreicht. Er riss das verhältnismäßig leichte, etwas gebogene drachenische Schwert samt der dazugehörigen Lederscheide an sich und steckte es hinter seinen eigenen Gürtel. Dann griff er nach dem rohrförmigen, armlangen Drachenstab.
Dieses Exemplar war weitaus kunstvoller gefertigt als jenes, das er im Besitz von Meister Liisho gesehen hatte. Kolonnen von drachenischen Schriftzeichen waren in das Metall eingraviert – ein Metall, das sich trotz der eisigen Kälte, die in der Senke Fjendurs herrschte, angenehm warm anfühlte. So als würde eine Kraft darin wohnen, die es aufheizte. Nichts anderes als die Geisteskraft eines Drachenreiter-Samurai konnte dies bewirken, wusste Rajin, vielleicht unterstützt durch die zahlreichen Zaubersprüche, die auf der Außenseite des Stabes eingraviert waren. Liisho hatte Rajin in seinen Traumbegegnungen zwar die Kunst der drachenischen Schrift gelehrt, aber Rajin hatte dennoch Schwierigkeiten, die Sprüche fließend zu lesen, was an der Verwendung von teilweise sehr verschnörkelten und von der Standardform des jeweiligen Zeichens abweichenden Ligaturen lag.
Rajin blickte nur kurz in Richtung des schwarzen Felsens und wandte sich dann dem reiterlosen Drachen zu. Dieser schwebte in seine Richtung, unschlüssig, unentschlossen und längst nicht von dem gleichen unbändigen Tötungswillen erfüllt wie sein wilder schwarz-gelber Artgenosse.
Eine Hand legte Rajin instinktiv um den Griff des Schwertes, doch ihm war klar, dass ihm diese Waffe nur wenig helfen würde. Weder gegen das einzelne herrenlose Ungetüm noch gegen die heranrückenden Drachenreiter.
Der Stab war es, auf den es ankam.
Nein, dachte Rajin, nicht der Stab! Er selbst war es, auf dessen Kräfte er vertrauen musste. Kräfte, die der Stab zu bündeln vermochte …
Rajin richtete den Stab auf den reiterlosen Drachen.
Alles, was an Wissen in dich hineingepflanzt wurde, musst du nun einsetzen. Wenn es je einen Sinn gehabt haben soll, was Liisho tat, als er dich als Säugling aus dem brennenden Palast von Drakor rettete, dann musst du jetzt anwenden, was man dich gelehrt hat …
Rajin murmelte Worte vor sich hin. Worte in alt-drachenischer Sprache. Sie waren plötzlich in ihm und sprudelten wie von selbst über seine Lippen. Formeln mit Zaubermacht, so glaubten vielleicht die Bauern und Fischer des drachenischen Altlandes. Aber in Wahrheit halfen sie dem Drachenreiter nur, seine innere Kraft zu sammeln und den Willen des Drachen zu bezwingen.
Der reiterlose Drache brüllte wütend, so als wollte er dagegen protestieren, diesen Fremden als seinen neuen Herrn zu akzeptieren. Aber zweifellos spürte er dessen innere Kraft – so wie Rajin den mächtigen Drachengeist spürte –, geknebelt durch die unsichtbaren Bande, die seit den Tagen Barajans die Drachen versklavten und deren Symbol die drei Drachenringe waren. Das laute Brüllen des Drachen wurde zu einem dumpfen Knurren. Anstatt eines Feuerstrahls quoll nur weißer Dampf aus seinem Maul.
Diene mir!
Ein unterdrücktes Gurgeln erscholl, so als wollte der Drache etwas herauswürgen und war doch gezwungen, es herunterzuschlucken. Er landete unmittelbar vor Rajin und senkte den Kopf.
Ich habe keine Furcht vor dir – umgekehrt aber solltest du mich fürchten, Drache! Denn ich bin dein Herr und Kaiser! Der Nachfolger Barajans! Der Sohn von Kojan und Minjanée, dem Kaiserpaar, dessen Meuchlern du dientest – du und dein Drachenreiter-Samurai, den das Schicksal bereits gestraft hat!
Ein Laut, der an das Winseln der fliehenden Eiswölfe erinnerte, drang zwischen den Zähnen des fast geschlossenen Drachenmauls hervor.
„Dein Name, Drache!“, forderte Rajin.
Ein Gedanke antwortete ihm.
Shiiyyoom …
„So gehorche, Shiiyyoom!“
Rajin rannte auf den mächtigen Koloss zu. Jeden noch so kleinen Anflug von Furcht musste er unterdrücken, denn er ahnte, dass der Drache dies sofort zu
Weitere Kostenlose Bücher