Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
leicht machte, sie voneinander zu unterscheiden. Viele hatten im Laufe der Jahre Beulen und Schrammen bekommen. Das Krankenhaus verzichtete aus Kostengründen in der Regel darauf, die Fahrzeuge reparieren zu lassen. Die Polizisten mussten sich beim Betrachten des Videos auf die Besonderheiten des gesuchten Wagens konzentrieren, weil die Nummernschilder der Fahrzeuge nicht immer zu erkennen waren. Der, den sie suchten, hatte zwei faustgroße Beulen auf der Fahrerseite und mehrere lange tiefe Kratzer.
Aufmerksam betrachteten die Polizisten die Aufnahmen. Das Band war nun bis zum Ende durchgelaufen, aber der gesuchte Transporter war nicht dabei. Sie starteten das Band vom Vortag. Als sie anfingen, das Tape durchzuspulen, erschrak van den Berg, denn plötzlich war nur noch ein dunkles Flimmern auf dem Bildschirm zu sehen. „Die Kamera ist ein altes Ding, hat manchmal Aussetzer, da kann man nichts machen“, meinte der Alte schulterzuckend.
Nach wenigen Sekunden war das Bild wieder da. „Das ist er“, rief van den Berg aufgeregt. Die großen Beulen waren deutlich zu sehen, es gab keinen Zweifel. Die Polizisten blickten wie elektrisiert auf den Monitor und warteten darauf, dass endlich jemand am Wagen auftauchte.
Der Kommissar bekam eine Gänsehaut, als sich ein Mensch näherte, der mit seiner hünenhaften Statur unheimlich rüberkam. Van den Berg ärgerte sich, dass der Mann blitzschnell im Innern des Fahrzeugs verschwand. Es dauerte keine Minute, bis der Krankenwagen aus der Einfahrt rollte.
Beim zweiten Betrachten der Bilder wich die Enttäuschung des Polizisten freudiger Erregung. „Wir kriegen ihn“, rief van den Berg, der bemerkt hatte, dass die Kamera den Mann einen kurzen Augenblick von vorne festgehalten hatte. Mit dem Standfoto würden sie ihn schnappen, da war sich der Kommissar ganz sicher. Sie spulten das Band noch einmal zurück. „Wahnsinn“, jubelte Nicole.
Im Kommissariat trommelte van den Berg eilig die Sonderkommission zusammen. Unter den Kollegen hatte sich Missstimmung breitgemacht, denn in ihren Augen führten van den Berg und Nicole die Ermittlungen viel zu eigenmächtig. Die Alleingänge des Kommissars gingen einigen schon lange gegen den Strich. „Wozu haben wir eigentlich eine Sondereinheit gebildet, wenn Herr van den Berg meint, dass er alles besser kann. Ich habe keinen Bock auf diese Scheiße!“
Philip De Wilde brachte auf den Punkt, was viele dachten, nur sagte er es wesentlich deutlicher. Der Polizist war auf das Jahr genauso lange bei der Mordkommission wie van den Berg. Im Laufe der Jahre hatte sich zunehmend ein Konkurrenzkampf zwischen den beiden herausgebildet, bei dem der weniger erfolgreiche De Wilde mit der Zeit immer mehr ins Hintertreffen geriet.
Die beiden konnten sich nicht riechen. Van den Berg wusste, dass der frustrierte Kollege hinter seinem Rücken schmutzige Wäsche wusch und auch nicht davor zurückschreckte, böse Gerüchte über sein Privatleben in die Welt zu setzen. Marie habe van den Berg verlassen, weil sie ihn mit einer anderen im Bett erwischte – das war nur eine der Geschichten, die der Rivale gestreut hatte.
Manchmal steigerte sich De Wildes Abneigung in regelrechten Hass. Jetzt war wieder eine Gelegenheit gekommen, es van den Berg zu zeigen. „Ich verlange, dass du uns alles auf deine Tafel malst, was ihr an Informationen habt“, forderte De Wilde mit hochrotem Kopf. Die Kollegen standen fast alle auf van den Bergs Seite, trotz aller Vorbehalte gegenüber seinem oft eigenwilligen Ermittlungsstil. De Wilde genoss im Präsidium einen zweifelhaften Ruf, seit er im Rahmen einer Mordermittlung im Brüsseler Strichermilieu verdächtigt worden war, Schmiergeld von einem Zuhälter kassiert und dafür belastendes Beweismaterial unterschlagen zu haben. Dass De Wilde teure Sportwagen fuhr und Affären mit jungen Frauen hatte, beobachteten einige mit Argwohn. Die meisten konnten De Wilde nicht leiden, aber es passte allen gut in den Kram, dass er sich traute zu rebellieren, wenn es nötig war. Man konnte sich gut hinter ihm verstecken.
Van den Berg konnte jetzt keine Konflikte gebrauchen. Er ignorierte De Wildes provokative Sticheleien, stellte sich an die Tafel und zeichnete eine Tabelle, in die er alle Namen einfügte, die für die Mordermittlungen wichtig waren. Dazu schrieb er offene Fragen, die es zu klären galt und Hypothesen, die er mit den Kollegen diskutieren wollte. Dass er seine Gedanken nicht komplett offen legte,
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