Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
für einen Moment eingenickt, bis ihn Polizeisirenen abrupt aus dem Schlaf rissen. Er fuhr mit einem Satz aus seinem Sitz hoch. Der Bus fuhr auf der A1, gerade hatte er Mechelen passiert. Als Jorge aus dem Fenster sah, biss er die Zähne zusammen. Drei Streifenwagen fuhren dicht hintereinander neben dem Bus her. Scheiße, das kann doch nicht sein, dachte er. Alles ging so rasend schnell, dass Jorge kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.
Einer der Polizeiwagen beschleunigte und setzte sich vor den Bus, bremste. Der Fahrer stieg hart in die Eisen, ein ängstliches Raunen hallte durch die Kabine. Jorge reagierte und packte eine junge Frau, die in der Reihe vor ihm saß, zog seine Pistole und drückte sie dem zierlichen Mädchen an die Schläfe. „Fahr weiter oder ich knalle sie ab!“ Der Fahrer drehte sich nach hinten, er wusste nicht, was er tun sollte. Im gleichen Moment trat ein Polizist mit gezogener Waffe an die Vordertür. Jorge richtete seine Pistole jetzt auf den Fahrer, während er die junge Frau im Würgegriff hielt.
„Fahr weiter, du Arschloch - ich knall dich ab.“ Der Chauffeur gab Gas – die Todesangst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Jorge hätte den Fahrer am liebsten auf der Stelle getötet, denn er glaubte, dass er ihn verpfiffen hatte. „Fahr schneller, du Idiot“. Jorge wusste, dass er die Polizisten nicht abschütteln konnte, er war in einer schlechten Position. Eigentlich wollte er in Antwerpen aussteigen und weiter nach Brügge fahren. Das ging nun nicht mehr. Was sollte er tun? Sein einziger Trumpf war die Geisel, die er fest umklammert hielt. Aber wie sollte er verschwinden? Zuerst mussten die Streifenwagen weg.
Van den Berg nahm Kontakt zum Busfahrer auf, das Gespräch ging über die Lautsprecher. Jorge sollte hören, was er zu sagen hatte. Der Killer ging nach vorne, während er die Geisel vor sich herschob. „Ziehen sie ihre Leute ab, sonst gibt´s hier ein Blutbad“, schrie Jorge in das Telefon. „Bleiben sie ruhig. Lassen sie die Geiseln frei. Dann können wir über alles reden.“ „Versuchen sie keine Tricks. Ich gebe ihnen fünf Minuten, ihre Leute abzuziehen. Danach werden Menschen sterben, jede Minute einer.“ Van den Berg hatte schon ein paar Mal mit Geiselnahmen zu tun gehabt, bislang war es ihm immer gelungen, die Sache ohne Opfer zu beenden.
Er ahnte, dass es diesmal ungleich schwerer werden würde, zu einem guten Ende zu kommen. Sein Gegner war nicht nur viel cleverer als die anderen, sondern auch weitaus skrupelloser. „Gut, ich werde die Wagen abziehen“, sagte er besänftigend. Der Korso, der inzwischen auf ein Dutzend Streifenwagen angewachsen war, stellte die Sirenen ab, überholte den Bus mit hohem Tempo und brauste davon. Nach einer halben Minute war der letzte Wagen aus Jorges Blickfeld verschwunden.
Van den Berg zog sich mit Deflandre und Nicole in sein Büro zurück. Sie überlegten, was Jorge vorhaben könnte. „Er wird versuchen, ein Fluchtfahrzeug zu kriegen und mindestens eine Geisel mitzunehmen“, meinte der Kommissar nachdenklich. „Vielleicht will er auch einen Hubschrauber“, erwiderte Deflandre.
„Fahr nach 500 Metern raus“, wies Jorge den Fahrer an. Der Parkplatz war klein und lag dicht an der Fahrbahn. Von hier aus konnte Jorge die Straße sehr gut einsehen und erkennen, wenn sich etwas Verdächtiges näherte. Jorge wandte sich an van den Berg. „Ich will ein Fluchtfahrzeug, einen BMW, vollgetankt, technisch einwandfrei und ohne Peilsender oder so einen Scheiß“ „Sag ich doch!“ schmunzelte van den Berg. „Sie kriegen das Auto, versprochen! Vorher lassen sie aber alle Geiseln frei!“ „Wenn meine Bedingungen erfüllt werden, lasse ich alle gehen, bis auf eine!“ Zähneknirschend gab van den Berg sein Okay. In dem Bus waren zwanzig Leute, in erster Linie Touristen. Erst einmal musste er die Geiseln freikriegen. Danach würde er weitersehen.
Jorge forderte, dass ein Polizist ihm den Wagen allein brachte – er gab ihnen eine Stunde Zeit. Es dauerte exakt eine Dreiviertelstunde, bis ein 3er BMW den Parkplatz ansteuerte. Jorge stand im Windschatten des Busses, die Geisel hielt er eng umklammert. „Steig aus und lass den Motor laufen! Und nimm deine Pfoten hoch!“ Der Polizist verließ den Wagen, die Hände über dem Kopf verschränkt. „Geh zum Ende des Parkplatzes und lauf die Böschung hoch, bis ich deine Visage nicht mehr sehen kann“, befahl Jorge. Als der Polizist etwa hundert Meter weg war, stieg
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