Kater Brown und die Klostermorde - Kriminalroman
vom anderen Ende des Korridors, dann hätte ein Aufschrei das ganze Klosterhotel aufwecken müssen.« Sie legte nachdenklich den Kopf schräg. »Vielleicht war Wilden vor dem Aufprall sogar schon tot, immerhin konnte der Täter nicht mit Gewissheit sagen, dass Wilden sich bei dem Sturz in den Schacht das Genick brechen würde. Hätte er ihn überlebt und um Hilfe gerufen, wäre man bald auf ihn aufmerksam geworden. Und nach seiner Rettung hätte er den Täter identifizieren können.«
»Ein Aufprall mit dem Schädel auf dem Brunnenboden ist meiner Ansicht nach nichts, was man überleben kann …«
»Wenn die Person genau mit dem Kopf voran aufschlägt, dann sicher nicht«, pflichtete sie ihm bei. »Sie könnte beim Sturz jedoch in eine Schräglage geraten, wenn sie auf einer Seite von der Innenwand abprallt und sich zu drehen beginnt. Nein, Wilden war bestimmt schon tot. Oder so schwer verletzt, dass er gar keine Chance hatte, aus der Ohnmacht zu erwachen.«
Tobias sah sie nachdenklich an. »Liest du eigentlich viele Krimis? Oder hast du wirklich eine so blühende Fantasie?«
»Das hat mit Fantasie wenig zu tun. Wenn du dir die Fakten ansiehst und dann die Möglichkeiten in Erwägung ziehst, die infrage kommen, dann landest du zwangsläufig bei diesen Überlegungen.« Sie lächelte ihn flüchtig an, dann stutzte sie und sprang auf. »Warte hier, ich bin gleich wieder da.« Alexandra lief auf den Feldweg, überquerte den Parkplatz bis zu ihrem Wagen, holte einen kleinen Beutel aus dem Handschuhfach und eilte zurück zum Brunnen. »Hier, zieh die an!«, forderte sie Tobias auf und hielt ihm ein Paar Latexhandschuhe hin, während sie das andere Paar anzog.
»Hey, Augenblick mal, ich packe den Toten nicht an!«
»Red keinen Blödsinn!«, konterte sie. »Ich möchte doch nur seine Taschen durchsuchen. Wenn sie Wilden erst mal in die Kühlkammer des Leichenschauhauses gebracht haben, kommen wir nicht mehr an ihn ran. Ich möchte aber sichergehen, dass er nicht irgendetwas bei sich trägt, das uns einen Hinweis auf den Täter geben könnte.«
»Zum Beispiel ein Zettel mit dem Namen seines Mörders? Oder dessen Visitenkarte?«, fragte Tobias mit einem mitleidigen Lächeln.
Alexandra hielt kurz inne und sah ihn an. »Wenn du vorhast, dich über jede meiner Bemerkungen lustig zu machen, kannst du meinen Vorschlag gleich vergessen. Bin gespannt, wie weit du allein kommst.«
»Hey, hey, ist ja schon gut! Ich hab’s nicht so gemeint.«
»Vielleicht ist da ja irgendetwas, das uns weiterhilft. Ein Zettel mit einer Uhrzeit und einem Treffpunkt oder eins dieser Streichholzheftchen aus einem Lokal hier aus der Gegend. Oder eine Quittung, die uns verrät, wo Wilden war, bevor er gestern Abend zum Kloster zurückgekommen ist. Falls er tatsächlich noch irgendwo anders war.«
Während Tobias hastig die Einweghandschuhe überstreifte, zog Alexandra aus der Hemdtasche einen Zettel, an dem etwas getrocknetes Blut klebte. Sie faltete ihn auseinander. Darauf waren verschiedene Posten addiert. Einige der Zahlen wurden durch einen Buchstaben ergänzt, der alles Mögliche bedeuten konnte.
»Und?«
»Keine Ahnung, was es damit auf sich hat«, antwortete sie. »Wenn ich die Zahlen addiere, komme ich auf ein anderes Ergebnis. Vermutlich stehen die einzelnen Positionen für irgendetwas, und es geht gar nicht um eine Addition …« Sie legte den Zettel zur Seite, dann gab sie Tobias ein Zeichen, ihr erst Wildens rechte und dann die linke Hosentasche aufzuhalten.
Sie förderte eine Geldbörse, eine Brieftasche, zwei verpackte Kondome und ein Päckchen Kaugummi zutage und steckte es in den Plastikbeutel. »Das ist alles«, erklärte sie. »Und wo ist sein Handy?«
»Vielleicht liegt es noch im Wagen«, überlegte er.
»Wer hat inzwischen den Schlüssel? Oder steckt der noch?«
»Nein, ich glaube, den hat Bruder Johannes an sich genommen, damit der Wagen nicht gestohlen wird.«
»Dann fragen wir ihn gleich danach, sobald der Leichenwagen Wilden abgeholt hat«, entschied sie. »Mit Bruder Johannes müssen wir sowieso noch reden. Wir sollten nämlich seine Erlaubnis einholen, bevor wir uns im Klosterhotel umhören.«
In diesem Moment näherte sich auf der Landstraße ein Leichenwagen und bog in die Zufahrt zum Klosterhotel ein. Zwei Männer in dunklen Anzügen stiegen mit ernster Miene aus. Tobias ging ihnen entgegen, unterhielt sich kurz mit ihnen und kam zu Alexandra zurück. »Wir können jetzt gehen, die Herren kümmern sich um
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