Kater mit Karma
noch, wie der Schwanz der Katze sich zwischen den Schatten auflöste.
An Wiedereinschlafen war nicht zu denken. Philip gleich nach dem Aufwachen davon zu erzählen, kam mir melodramatisch vor. Ich wartete also damit, bis wir geduscht hatten und auf dem Weg zu unserem vegetarischen Öko-Frühstück waren. Für jemanden, der in einem Turm aus Glas und Beton arbeitete, zeigte sich Philip überraschend aufgeschlossen.
»War es ein Traum?«, fragte er, als wir an dem Tai-Chi-Treffpunkt vorbeikamen.
Für einen Traum kam es mir zu real vor, aber wie sollte ich es sonst nennen?
»Was meinst du, was es bedeutet?«, fragte er.
»Vielleicht geht es um das Buch«, sagte ich. »Mum wollte mir vielleicht sagen, dass ich ganz offen über meine Gefühle schreiben soll, dann kann etwas Gutes dabei herauskommen – gut nicht nur für mich, sondern auch für andere. Das Ganze hatte außerdem etwas Dringliches. Mum und Cleo wollten mir sagen, ich soll mich beeilen. Ich soll mir nicht zu viel Zeit damit lassen.«
Bis dahin war mir noch nie der Gedanke gekommen, dass mir die Zeit davonlaufen könnte. Das war etwas, womit ich mich bald auseinandersetzen sollte.
8.
Der innere Terrorist
Mütter und Töchter teilen sich DKNY und DNA.
Fünf Tage und Nächte ohne Kaffee waren genug. Von all dem Entgiften hatte ich bohrende Kopfschmerzen. Kaum zurück, eilte ich über die Straße zu Spoonful. Ich schlürfte den ersten Milchkaffee des Tages, dankbar, mich wieder vergiften zu dürfen.
Während unseres Aufenthalts in dem Wellness-Hotel hatte sich zu Hause der Winter eingeschlichen. Die Bäume hatten die letzten Blätter abgeworfen und standen nackt und zitternd vor einem blassblauen Himmel.
Ich hatte kurz nach unserer Rückkehr einen Termin für meine alle zwei Jahre fällige Routine-Mammographie, aber da Lydia am darauffolgenden Tag nach Sri Lanka abreisen wollte, war das auf meiner Prioritätenliste ganz nach unten gerutscht. Mehrmals schon hatte ich den Telefonhörer in die Hand genommen, um den Termin abzusagen. Ich hatte genug zu tun mit dem Buch über Cleo, den Sorgen um Lydia und der Internetrecherche nach einer geeigneten Örtlichkeit für die Hochzeit. Es war eigentlich keine Zeit für hypochondrische Durchchecktermine.
Die junge Ärztin, die meine Brüste vor einigen Monaten untersucht hatte, hatte mir versichert, dass alles in Ordnung sei, und als ich sie um eine Überweisung für die Klinik gebeten hatte, meinte sie, das sei eigentlich nicht nötig. Der Check-up im Rahmen des staatlichen Röntgenprogramms würde reichen. Das hieße zwar, dass ich länger warten müsste, dafür würde die Untersuchung aber auch nichts kosten.
Zuerst wollte ich mich damit zufriedengeben, aber dann hielt mich irgendetwas davon ab. Instinkt vielleicht. Oder eine dieser berühmten Stimmungsschwankungen, unter denen Frauen meines Alters angeblich leiden. Die Ärztin war nicht meine Hausärztin und sie war zu jung, um die Mühsal der Auf und Abs der Hormone im mittleren Alter zu kennen. Abgesehen davon, wenn ich jetzt nicht zur Mammographie ging, musste ich sie später nachholen, was es nicht besser machte. Ich bestand daher auf der Überweisung, und sie stellte mir den Schein mit einer Begeisterung aus, die ich ausschließlich für Vampirfilmen reservierte.
Wenn man nicht gerade über ein fotografisches Gedächtnis verfügt, kann man sich normalerweise nicht daran erinnern, was man an einem bestimmten Tag getragen hat. Manche Tage sind allerdings so schrecklich, dass sich selbst die unwichtigsten Details ins Gedächtnis graben. So erinnere ich mich noch genau daran, was ich am Tag von Sams Tod trug – einen khakifarbenen Rock und ein dazu passendes, rot eingefasstes T-Shirt. Hässlich, aber es waren eben die Achtziger.
Genauso erinnere ich mich, was ich zu dem Mammographie-Termin im Juli 2008 trug. Ehrlich gesagt nervt mich die ewige Kleiderfrage. Nicht, dass ich mir keine Mühe mit meiner Garderobe geben würde. Wenn eine Verkäuferin mir den Eindruck vermittelt, dass sie hilfsbereit und halbwegs ehrlich ist, dann lasse ich mich durchaus zum Kauf des einen oder anderen Stücks überreden. Vielleicht trage ich es sogar ein, zwei Mal.
Aber letztlich reduziert sich meine Garderobe auf eine Hose und ein paar Oberteile, die passabel aussehen und mich nicht an zu vielen Stellen kneifen. Solange sie zu den Schuhen, die ich seit drei Jahren pausenlos trage, passen, habe ich sie, wie ich zugeben muss, ständig an.
An diesem Morgen war es kalt und
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