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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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mit der Aufschrift »Auswertungsraum«, wo wir Bilder von meiner rechten Brust betrachteten. Die weißen Punkte, die mich wie Sterne der Milchstraße anblitzten, seien Verkalkungen, erklärte sie. Möglicherweise ein Hinweis auf Zellveränderungen. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht.
    Ein Urzeitwesen tief in mir verzog sich zum Fensterbrett und beobachtete von dort aus wachsam das Geschehen.
    Die Ärztin vereinbarte für den nächsten Nachmittag bei einer Chirurgin einen Biopsie-Termin für mich. Sie meinte, ich solle in Begleitung kommen.
    Muss ich sterben? , dachte ich, auf einmal wie betäubt.
    Gleichzeitig schien ich mich in verschiedene Personen aufzuspalten, von denen jede eine eigene Perspektive hatte. Das Urzeitwesen folgte mir wie ein Schatten, als ich in den Aufzug stolperte, die Straße überquerte und in mein Auto stieg. Neugierig verfolgte es, wie ich meine Handrücken anstarrte, die auf dem Lenkrad lagen. Mit den stark hervortretenden blauen Adern, ein Erbe meiner Mutter, gehörten sie unverkennbar zu mir. Leben pulsierte in ihnen, aber vielleicht nicht mehr lange.
    Mit zitternden Fingern wählte ich Philips Nummer auf meinem Handy. Er entfernte sich kurz aus einem Meeting, um meinen Anruf entgegenzunehmen. Seine Stimme klang unbesorgt, zärtlich. Natürlich würde er mich morgen begleiten.
    Ich hätte mir gewünscht, dass er mit erstickter Stimme sagen würde, er wolle mich nicht verlieren, ich dürfe nicht sterben – irgendetwas, damit es realer wurde.
    Aber so wie ich mich seinetwegen bemühte, ruhig zu bleiben, tat er es meinetwegen. Er fragte, ob er kommen und mich abholen solle. Ja, ja! Bring mich weg von hier! Rette mich! Eine nüchterne, vernünftige Stimme sagte jedoch, nein danke. Irgendjemand musste schließlich mein Auto nach Hause fahren.
    Es waren erst wenige Minuten seit dem Gespräch mit der Ärztin vergangen, und schon stellte ich mir vor, wie meine Familie damit zurechtkäme, wenn ich nicht mehr da wäre. Es wäre eine neue Erfahrung für Philip. Außer seinen Großeltern hatte er noch nie einen ihm nahestehenden Menschen verloren. Ich konzentrierte mich darauf, stark zu sein, für ihn.
    Ein Mensch würde mich verstehen, das wusste ich. Rob und ich hatten so viel gemeinsam durchgestanden. Wir hatten jeder auf seine Weise um Sam getrauert und taten das irgendwie immer noch. Cleo, die schwarze Katze, die über beinahe ein Vierteljahrhundert eine lebendige Verbindung zu Sam dargestellt hatte, war für uns beide ein Quell des Trostes und der Freude gewesen. Nachdem man Rob im Alter von vierundzwanzig Jahren wegen Morbus Crohn den Dickdarm entfernt hatte, wusste er genau, wie es war, sich im eigenen Körper verlassen zu fühlen, Angst vor ihm zu haben.
    Ich rief ihn an und erzählte ihm die Neuigkeiten. Er fand sofort den richtigen Ton. Seine Worte waren vorsichtig gewählt, aber ich wusste, dass er mit mir fühlte.
    »Es ist bei weitem nicht so schlimm wie das, was du durchgemacht hast«, sagte ich. Das erste Mal seit der ominösen Erwähnung von Zellveränderungen war ich wieder ich selbst und fühlte das, was ich sagte. Wir beide wussten, wie die Ärzte vorgingen. Ich bekam tröpfchenweise gerade mal so viele Informationen, dass ich auf das Schlimmste vorbereitet sein würde, wenn am nächsten Tag die Untersuchungsergebnisse vorlagen.
    Als ich kurz darauf mein Handy wegsteckte, war ich erstaunlich heiter. Vielleicht hatte mein Körper ja irgendwelche Stoffe ausgeschüttet, aber das Gespräch mit Rob ließ mich tatsächlich klarer sehen. Selbst wenn der schlimmste Fall eintrat und ich bald die Musik für meine Beerdigung aussuchen musste, war das nicht die größte denkbare Katastrophe. Sams Verlust war viel furchtbarer gewesen. Ein Leben, das zu Ende war, bevor es richtig begonnen hatte. Das war tragisch.
    Ich stellte das Autoradio an. Sanfte Jazzklänge wurden von den Vier-Uhr-Nachrichten abgelöst. Ein Zugunglück in Nordägypten hatte zweiundvierzig Todesopfer gefordert, vor der kanadischen Küste war eine riesige Eisfläche mit einer Größe von achtzehn Quadratkilometern weggebrochen. Es ging doch nichts über die Nachrichten, wenn man sich vergewissern wollte, dass es immer noch schlimmer kommen konnte. Da musste man nicht mal an die Dinge denken, die es nicht in die Nachrichten schafften – Kinder mit lebensbedrohlichen Krankheiten, Menschen, die unter unwürdigen Umständen lebten.
    Im letzten Bericht hieß es, in Sri Lanka habe das Militär eine große Stadt in Mannar im

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