Kater mit Karma
an den Workshops teilnehmen konnte, wenn man Lust dazu hatte, und sich den Rest der Zeit hemmungslos zu Brei massieren und aromatherapieren ließ.
Unter einem rosa- und orangefarben gestreiften Himmel zogen wir holpernd unsere Koffer über den Kiesweg zu unserer Villa. Ein geräumiger, moderner Bungalow mit Blick über das Tal, einfach perfekt. Nicht zu vergessen das hübsch gefaltete Toilettenpapier und die flauschig weichen Badetücher. Wir öffneten die Türen zu unserer Terrasse und ließen den warmen Abendwind durch unsere Haare streichen.
Ein paar Kängurus putzten sich, bevor sie lässig davonhüpften. Ich hatte die australische Landschaft mit ihrem riesigen Himmel und den alten, faltigen Hügeln lieben gelernt. Die rote Erde und die silbernen Bäume, die ich früher hässlich und fremdartig gefunden hatte, besaßen mittlerweile eine ganz eigene Schönheit für mich. Die Leere dieses Landes und seine unter Umständen äußerst gefährliche Tierwelt machte mir keine Angst mehr, und ich genoss den Eukalyptusduft in der heißen, trockenen Luft.
Darf ich an dieser Stelle erwähnen, dass wir uns küssten? Und es war keiner dieser unheimlichen Bitte-keinen-Schritt-weiter-Seniorenküsse, die man aus dem Kino kennt, wenn ein gealterter, verfetteter Hollywoodstar sich an eine kosmetisch generalüberholte Diva heranmacht, bis sich sämtliche Zuschauer im Saal über ihrem Popcorn krümmen.
Das hier war der Kuss eines Mannes und einer Frau, die sich seit zwanzig Jahren kannten und in dieser Zeit den größten Teil ihrer wachen Stunden damit verbracht hatten, andere wichtiger zu nehmen als sich selbst. Die einfach dankbar waren für ein paar Tage zu zweit und die Möglichkeit, Gespräche zu führen, bei denen kein Dritter mithörte und ungefragt seine Meinung abgab. Welch eine Wohltat, zwischen Laken aus ägyptischer Baumwolle zu liegen und nach dem Duschen gleich zwei Badetücher benutzen zu können – die später nicht in die Waschmaschine gesteckt werden mussten. Jedenfalls: nicht von mir.
Dieser Ort würde unsere Körper reinigen und eine Wohltat für unsere Seelen sein. Man würde uns einseifen und abschrubben, durchkneten und massieren und uns Unterricht in gesundem Leben erteilen. Nach fünf Tagen würden wir als glücklichere, ausgeglichenere Menschen in unseren Alltag zurückkehren. Unsere Sorgen würden sich in Luft auflösen.
In der ersten Nacht sang uns unten im Tal der Wind ein Wiegenlied und wir ließen uns in das tausendfädige Luxusgespinst sinken und schliefen wie Steine.
Es fällt mir schwer zu beschreiben, was in dieser Nacht passierte, nur dass es zu den merkwürdigsten Ereignissen in meinem Leben gehörte. Eigentlich habe ich nie an Übersinnliches geglaubt, und dennoch …
Kurz vor Sonnenaufgang wachte ich auf, weil die Holzjalousien gegen das Fenster schlugen. Der Wind heulte um den Bungalow, und die heiße Luft schien zu knistern. Als ich mich auf der Suche nach einer bequemeren Position herumwälzte, bemerkte ich auf einmal auf einem Stuhl in der Ecke eine Gestalt. Es war – ausgerechnet – meine Mutter.
Bei ihrem Anblick wurde mir ganz weich ums Herz. Sie war vor einigen Jahren gestorben, aber in diesem Moment schien sie sehr lebendig und schaute mich mit vor Liebe strahlenden Augen an. Vor ihr rannte eine schwarze Katze hin und her. Sie war zu schnell, als dass ich mit Bestimmtheit hätte sagen können, ob es Cleo war.
Da ich ahnte, dass die Begegnung mit Mum kurz ausfallen könnte, wollte ich keine Zeit verlieren und stellte ihr rasch ein paar Fragen. Die Katze sauste kreuz und quer durchs Zimmer, so als wolle sie mir sagen, ich solle mich beeilen.
»Gibt es einen Gott?«, fragte ich und fühlte mich dabei wie ein Schaf, weil die Frage so banal war.
»Ja«, erwiderte meine Mutter schlicht.
»Bist du ihm begegnet?«
»Nein«, erwiderte sie, mit leichtem Bedauern in der Stimme.
»Ich vermisse dich so sehr!«, schluchzte ich plötzlich, vom Gefühl des Verlusts überwältigt.
Mum hatte es nie leiden können, wenn die Leute sich in Selbstmitleid ergingen. Als sie im Sterben lag, hatte ich einmal so geweint wie jetzt, und sie hatte bloß den Kopf weggedreht und zum Fenster hinausgeschaut, vor dem ihre Kamelien standen.
Ihr Umriss begann zu verschwimmen und mit dem Stuhl zu verschmelzen.
»Was muss ich wissen?«, rief ich voll Entsetzen, dass sie so schnell wieder verschwand.
»Gutes kommt von Gutem«, erwiderte sie mit einem rätselhaften Lächeln und war fort.
Dann sah ich nur
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