Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
Vom Netzwerk:
Boden. Die Zettel mit meinen Klagen und Träumen passten genau hinein. Ich schloss den Deckel.
    Philips besorgtes Gesicht erschien im Türrahmen. Der Liebe. Er stellte ein Glas Wasser auf mein Nachttischchen und half mir zurück ins Bett.
    »Was glaubst du, wo sie jetzt ist?«, fragte ich.
    »Lydia?«, fragte er, zog mir die Decke bis zum Kinn und küsste mich sanft. »Bestimmt noch in der Luft.«
    Ich stellte mir vor, wie sie in ihrem vegetarischen Menü herumstocherte, während ihr Flugzeug langsam den Indischen Ozean überquerte.
    Und fiel dankbar in einen tiefen, bewusstlosen Schlaf.

11.
Amazonen
    Ein Kreis von Frauen – viele mit nur einer Brust.
    Ich erwachte in besserer Laune. Das Morgenlicht fiel durch die Jalousie. Philip lag neben mir. Wir standen früh auf und gingen über die Straße, um einen Kaffee zu trinken und dazu ofenwarmes Brot zu essen.
    Was immer der Tag bringen würde, alles würde gut werden. Das hatte ich in einer Fernsehsendung über Stephen Hawking und seine Sicht auf das Universum gelernt. Die Tatsache, dass wir alle aus Sternen entstanden sind, war außerordentlich beruhigend. Unsere Körper bestehen tatsächlich aus dem, was bei himmlischen Explosionen übrig geblieben ist. Wir sterben nicht. Wir verwandeln uns zurück in Sternenstaub. Staub zu Staub.
    Ich hoffte, dass ich so tapfer sein würde wie meine Mutter. Als man ihr die Diagnose Darmkrebs im Endstadium mitteilte, reagierte sie gelassen. »Ich treibe hinaus zu meiner Insel«, sagte sie mit einem verträumten Lächeln. »Es ist so schön dort. Ich kann sie schon fast sehen. Ich gehe nach Bali Ha’i.«
    Ich fragte mich, wie viel davon sie uns vorgespielt hatte. Vielleicht mehr, als uns bewusst war. Als der Krebs ihren Bauch aufblähte und ihre Haut wächsern aussehen ließ, verbrachte Mum ihre Tage damit, Besucher und Anrufer zu trösten, die ihren Kummer nicht verbergen konnten.
    Wenn sie gerade keine Schmerzen hatte, war sie ein Ausbund an Fröhlichkeit und behauptete, dass diese Tage zu ihren besten gehörten. Als ich eines Nachmittags allein mit ihr in ihrem Zimmer war, hob sie mahnend einen knochigen Finger: »Schau mich an. Du kannst etwas daraus lernen.«
    Der Gemeindepfarrer besuchte sie, um sich zu erkundigen, ob sie in einem Gespräch mit ihm ihr Gewissen erleichtern wolle. Ich führte ihn ins Schlafzimmer und schloss die Tür. Mum war keine Kirchgängerin, aber sie hatte im Kirchenchor gesungen. Gesang sei ihre Form des Gebets, hatte sie immer gesagt. Als der Pfarrer ein paar Minuten später wieder aus dem Zimmer trat, machte er einen verwirrten Eindruck. Er sagte, er sei noch nie jemandem begegnet, der dem Sterben mit so viel innerer Stärke begegnete. Schachmatt. Halb Schauspielerin, halb Guru, beschämte meine Mutter uns alle.
    Ich kauerte auf ihrem Bett und schrieb mit, während sie ihre Beerdigung plante. Sie wollte nicht, dass die Beerdigung mit etwas Traurigem begann und wählte daher »Morning Has Broken« als Eröffnungslied. Danach sollten ihre Freunde aus dem Chor sich vor dem Altar aufstellen und »Make Me a Channel of Your Peace« singen, was eines ihrer Lieblingslieder war. Der Text, den man Franz von Assisi zuschrieb, war ein akkurater Abriss der Mutterliebe – »Lass mich trachten, nicht dass ich getröstet werde, sondern dass ich verstehe, nicht dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe«.
    »Ich bin so aufgeregt«, sagte sie. »Was meinst du, wie viele Leute werden kommen?«
    »Oh, keine Ahnung«, sagte ich und überlegte mir eine möglichst große Zahl. »Hundertfünfzig vielleicht?«
    »Mehr nicht?« Mum wirkte enttäuscht.
    »Doch, wahrscheinlich schon. Wahrscheinlich werden es doppelt so viele sein.«
    Zufrieden ließ sie sich in ihr Kissen zurücksinken, das so weiß war wie ihr eingefallenes Gesicht.
    »Wenn mein Sarg aus der Kirche getragen wird, soll jemand Bali Ha’i singen«, wies sie mich an.
    Mum hatte in der Rolle der Bloody Mary, die sie 1963 in der Operatic-Society-Produktion von South Pacific gespielt hatte, eine gewisse lokale Berühmtheit erlangt. Ich fragte sie, ob ihr eine Frau aus ihrem Umkreis einfiel, die eine ähnlich schöne Stimme wie sie hatte. Ihre Antwort fiel eindeutig aus. Eine gute Plattenaufnahme musste her. Sarah Vaughan vielleicht.
    »Es wird eine wunderbare Feier«, seufzte sie. »Ich wünschte, ich könnte dabei sein. Wobei ich es ja in gewisser Weise bin.«
    Ich zweifelte, dass ich jemals so viel Kraft für meine Kinder aufbringen könnte. Im Vergleich zu

Weitere Kostenlose Bücher