Kater mit Karma
Parfümieren der Kopfkissen.
Die untere Schublade glich einem Pharaonengrab mit lauter unbezahlbaren weltlichen Schätzen. Ein Tiki-Anhänger aus Plastik, den Sam einige Monate vor seinem Tod auf einem Markt für mich gekauft hatte; selbstgebastelte, in Krakelschrift beschriebene und mit Glitzer beklebte Muttertagskarten. Darunter auch eine weniger kindliche Karte von vor zwei Jahren. Darauf waren zwei Flamingos zu sehen, die sich schützend über einen kleineren beugten: »Liebe Helen, alles Gute zum Muttertag. Du bist eine gute Mutter. Ich hab dich lieb. Liebe Grüße, Lydia.«
Ich nahm das »Ich hab dich lieb« und bewahrte es tief in mir auf.
Zwischen den Karten lag ein uraltes Tonband aus dem Jahr 1953, als meine Mutter im Radio gesungen hatte. Sie hatte ein sentimentales Lied gewählt und der Begleitmusiker spielte zu langsam, aber unter dem altersbedingten Rauschen und Knacken klang ihre Altstimme voll und weich.
Ich wünschte, Mum wäre noch da. Sie hätte Lydia den Kopf zurechtgerückt und der Chirurgin erklärt, sie würde phantasieren. Vielleicht hatte Mum aber auch die ganze Zeit auf mich aufgepasst und war mir in dem Wellness-Hotel erschienen, um mich zu warnen, bevor es zu spät war.
Wenn Gutes von Gutem kommt, dann ist Krebs vielleicht tatsächlich die aus Wut und Ärger entstehende Krankheit, für die sie viele halten. Jahrelang aufgestaute Wut konnte das Immunsystem angreifen. Ich hatte genügend Gründe, um wütend zu sein.
Vielleicht half es, das alles niederzuschreiben. Ich öffnete die obere Schublade, nahm einen Stift heraus und schrieb eine Liste der Leute, mit denen ich ein Hühnchen zu rupfen hatte: engstirnige Herausgeber, die meine Kolumne abgelehnt hatten; all jene, die mich aus ihren Leben ausgesperrt oder enttäuscht hatten oder die auf die Idee verfallen waren, buddhistische Nonne zu werden. Plus eine Liste mit Ärgernissen, von denen einiges zugegebenermaßen etwas kleinlich war.
Was mich krank macht:
Klopapierrollen auswechseln.
Die Einzige sein, die mal einen Putzlappen in die Hand nimmt.
Ein Ein-Frau-Wäschereibetrieb sein.
Immer die fleckige Banane nehmen, damit die anderen die schönen bekommen.
Den anderen den bequemsten Sessel überlassen.
Die Frage: »Was gibt’s zum Abendessen?«
Und dann: »Was? Schon wieder Spaghetti?«
Leute, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überprüfen, als ob ich sie vergiften wollte.
Denjenigen, der ausnahmsweise mal zum Staubsauger greift, loben zu müssen, als hätte er aus Abfluss-Haaren Gold gesponnen.
Leute, die die Augen verdrehen, wenn ich sie bei irgendetwas Technischem um Hilfe bitte.
Ständig Abgabetermine für Kolumnen und jetzt auch noch für das Buch.
Sagen, dass ich liebend gerne zur Feier des Tennisvereins/zur Tupperware-Party komme, obwohl das gar nicht stimmt. Ich spiele nicht mal Tennis.
Der Garten. Das ist das Einzige, worum ich mich nicht kümmere, deshalb sieht er aus wie die Wüste Gobi.
Stunden darauf warten, dass Philip abends nach Hause kommt, und ihn dann anschnauzen, weil das Essen verkohlt ist.
Die gute Managergattin spielen und daran scheitern.
Vergessen, was Spaß ist.
Müde sein. Seit Wochen und Jahren, immerzu müde sein.
Ich gehörte der Frauengeneration an, die alles haben wollte. Statt aus den Fehlern meiner Mutter zu lernen, versuchte ich, immer mehr in mein Leben zu quetschen und machte dadurch alles noch schlimmer. Kein Wunder, dass fast jede Frau mittleren Alters über Erschöpfung klagte.
Ich hatte nicht nur die Hausfrauenrolle übernommen, gegen die meine Mutter immer gewettert hatte, sondern auch noch unbedingt Karriere machen wollen. In den Jahren als alleinerziehende Mutter war ich nach einem Tag in der Redaktion oft zu müde gewesen, um den Kindern die Aufmerksamkeit zu schenken, die ich ihnen schuldete. Das Familienleben und meine Arbeit wurden von einem Sicherheitsnetz zusammengehalten, das dauernd unter mir zusammenbrach.
Meine Bemühungen, den Repräsentationspflichten einer Managergattin nachzukommen, waren lachhaft. Ich erinnerte mich noch gut an ein Geschäftsessen, bei dem ich einen Anwalt aus Sydney geistvoll unterhielt, wie ich meinte, bis er mich finster ansah und sagte: »Das letzte Mal musste ich mir auf der Uni einen solchen Vortrag anhören.« Dann war da noch der peinliche Moment in der Qantas Business Class. Ich begleitete Philip auf einer seiner Geschäftsreisen und wir vertraten uns die Beine in der Economy Class. Auf dem Weg zurück zu unseren Plätzen hielt mich eine Stewardess
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