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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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ihr war ich ein Feigling, ein Amateur.
    Trotz all unserer Auseinandersetzungen, vor allem was Sex und Heiraten anbelangte, standen meine Mutter und ich uns sehr nahe. Unsere Streitigkeiten waren meist nur Spiegelgefechte. Noch immer wähle ich manchmal ihre Nummer, um mich mit ihr verbunden zu fühlen.
    Mum, die selbst Journalistin war, hatte mich schon früh zum Schreiben ermuntert. Natürlich hatte ich mich dagegen aufgelehnt, und am Schluss war ich genau dort gelandet, wo sie mich haben wollte. Als klar war, dass sie sterben würde, verspürte ich mit schlechtem Gewissen kurz ein Gefühl der Befreiung. Wenigstens würde ich jetzt das Korsett ablegen können, in das sie mich gezwängt hatte. Aber es war zu spät. Sie hatte mich längst nach ihrem eigenen Bild geformt.
    Als Philip und ich uns an diesem Nachmittag in der Klinik trafen, warteten gute und schlechte Nachrichten auf uns. Es war Krebs. Die Geschwulst war mit einem Durchmesser von knapp sieben Zentimetern ungewöhnlich groß. Die Zellen schienen jedoch nicht invasiv zu sein. Gewissheit würde erst die Operation bringen, aber wenn meine rechte Brust entfernt war und die Magnetresonanztomografie der linken Brust keine Auffälligkeiten zeigte, dann konnte ich mit einer ganz normalen Lebenserwartung rechnen.
    Normale Lebenserwartung. Halleluja! Ich hätte die Chirurgin am liebsten geküsst, aber der Schreibtisch zwischen uns bewahrte sie davor. Chirurgen legen nicht viel Wert auf Körperkontakt, was seltsam ist, bedenkt man, wie oft sie sich bei ihrer Arbeit ins Innerste anderer Menschen versenken. Nach dem Gespräch genoss ich auf einem Spaziergang durch die Stadt die Wintersonne auf meinem Gesicht. Nackte Äste ragten in den babyblauen Himmel. Eine Möwe auf einem Denkmal putzte sich das Gefieder und spähte zu den gegen die Kälte tief in ihre Mäntel vergrabenen Passanten herunter.
    Ich ließ mich durch die von ihren iPods und Handys wie ferngesteuerte Menge treiben. Die Menschheit war autistisch geworden. Mit weißen Kabeln waren die Leute an winzige Geräte gefesselt und in virtuellen Welten gefangen. Halbe Roboter, die den Bezug zum richtigen Leben verloren und sich im Abstrakten verfangen hatten. Ich hätte mir gewünscht, sie würden einen Moment lang innehalten und die Schönheit um sie herum genießen, die Vergänglichkeit des Menschseins. Unser Aufenthalt auf dieser Erde ist so kurz.
    Am nächsten Morgen sollte ich im Wartezimmer der MRT-Praxis auf einem Fragebogen eintragen, ob ich unter Klaustrophobie litte. »Ein bisschen«, kritzelte ich zwischen das Ja und das Nein. Offenbar gab es Patienten, die eine Vollnarkose brauchten, bevor sie sich in die gigantische Vagina eines MRT-Geräts schieben ließen. Eine Art Rückwärtsgeburt.
    Das Krankenhauspersonal hier nannte mich »meine Liebe«. Eine Röntgenassistentin legte mir einen Zugang, meine Liebe, über den man während der Prozedur Kontrastmittel in mich pumpen würde. Am liebsten hätte ich mir ein Schildchen auf die Stirn geklebt, auf dem für alle Krankenschwestern, Ärzte, Ultraschallgerätebediener, Blutsauger, Probenentnehmer und Krankentragenschieber stand: »Meine lieben Lieben. Bitte nennt mich nicht ›meine Liebe‹.«
    Eine Krankenschwester warnte mich davor, dass es in dem MRT-Gerät laut werden würde, und reichte mir ein Paar Kopfhörer; es galt, sich zwischen Jazz und Klassik zu entscheiden. Normalerweise hätte ich ja Klassik gewählt, aber der Geschmack der Mediziner war unberechenbar – siehe die weißen Lilien. Eine Wagner-Oper oder der »Trauermarsch« könnten eine vernichtende Wirkung auf mich haben. Jazz fühlte sich sicherer an.
    Zwei Krankenschwestern bugsierten mich auf den Untersuchungstisch wie ein Stück Fleisch auf ein Tablett und drückten mir einen Piepser in die Hand, falls ich in der Röhre ausflippen sollte. Ich lag auf dem Bauch, jede Brust durch ein Loch gesteckt, und glitt zu »The Girl from Ipanema« ins Innere der Maschine. »Tall and tanned and young and lovely …«
    Dieses Lied hatte ich immer schon gehasst und jetzt umso mehr, wo ich mich so gar nicht wie eine langbeinige brasilianische Schönheit fühlte, sondern klein und blass und alt und hässlich. Glücklicherweise wurde es bald von einem ohrenbetäubendem Brummen übertönt.
    »Geht es Ihnen gut, Mrs. Brown?«, fragte mich eine Männerstimme über den Kopfhörer.
    Das leichte Zögern in der jungen Stimme, der sonnige australische Akzent beruhigten mich sofort. Und die Tatsache, dass er mich

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