Katerstimmung (German Edition)
auch noch ein bisschen länger. Ist dir eigentlich klar, in was du dich da reinsteigerst? Du erfindest dir deine eigenen Nachrichten!»
«Das ist bei Boulevardjournalisten nicht so außergewöhnlich …»
«Du bringst Leute zum Heulen!»
«Das auch nicht.»
«Max.» Wilhelms Seelenzustand hat den Ruhemodus offensichtlich verlassen.
«Ja, okay, das war nicht so cool. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass da so ein Weichei unter der Mütze steckt.»
«Wir bringen jetzt als Allererstes die Kamera zurück», stellt Wilhelm fest und erzählt dem Taxifahrer irgendwas von «hacia policía». Säße doch wenigstens mein Dinslaken-Auswanderer Uwe am Steuer. Auf Taxifahrer umgeschult, nachdem ihm die Konzession für den Bierbrunnen wegen fehlender spanischer Speisekarten entzogen wurde. Der hätte bestimmt geantwortet: «Nee, mein Lieber. Wir vier Hübschen gehen jetzt erst mal schön auf Tralafitti.»
Viele Jahrhunderte ist es her, dass Comtessen hin und wieder mit dem Hofnarren sexuell verkehrten. Der war im Gegensatz zum Gemahl so witzig und locker-flockig – damals war der Ausdruck noch cool. Wenn diese verbotenen Treffen in der Schlosskapelle ungewollte Früchte trugen, fuhr die feine Dame in tiefster Nacht mit der Kutsche zum Waisenhaus. Sie sprang heraus, legte das schreiende Bündel Mensch vor die Tür, läutete die Glocke und ließ sich in Windeseile von ihrem Kutscher wegchauffieren.
Genauso muss sich unser Taxifahrer fühlen. Noch bevor wir unseren Zwischenstopp Polizeirevier erreicht haben, erklärt Wilhelm ihm den Plan: direkt vorfahren, kurz anhalten, und wenn ich zurückkomme, direkt wieder losstarten. Wir versichern ihm, dass wir keinen Raubüberfall und keine Gefangenenbefreiung vorhaben, doch ganz wohl ist ihm bei der Sache nicht. Spätestens als ich mit der unschuldigen Kamera hinausstürze, sie auf dem harten Boden ablege und, ohne mich umzudrehen, wieder in den Wagen steige, fühlt er sich mitschuldig wie der Kutscher einst in tiefster Nacht.
Die Schlange vor dem Luna Mar ist lang. Es ist halb drei, beste Ausgehzeit für die Spanier. Irgendwie ist deren Tagesablauf einfach komplett um zwei bis drei Stunden verschoben. Die haben vermutlich auch den Siebenuhrtee, und in der Knopperswerbung heißt es: «Morgens, halb zwölf in Spanien.»
So wirklich cool sieht der Laden nicht aus. Eher so, wie ich mir das Bananas in Valencia vorstelle. Ein Haufen Urlauber und einige Latino-Owens, die den männlichen Touris zeigen wollen, wer bei den weiblichen Touris wirklich ankommt. Entsprechend dieser Theorie sind doppelt so viele Männer wie Frauen im Club.
Wir trinken auf von blauem Licht angestrahlten weißen Sofas einen Wodka Lemon. Dann starten wir unsere Mission Ana. Ich beauftrage Lenny, den Ausgang im Blick zu behalten, und schicke Wilhelm auf Streife Richtung Strandterrasse. Nach kurzer Diskussion schafft es Lenny, Wilhelm von einem Jobtausch zu überzeugen. Ich selbst mache mich auf, die beiden Floors zu durchpflügen.
Erneut versuche ich es mit der Wahlkreuztaktik, die ich während der Ana-Suche in den Clubs von Valencia entwickelt habe. Als Erstes läuft man einen Kreis um die Tanzfläche herum. Der Radius muss dabei so gewählt werden, dass man sowohl die hüpfende Menge als auch die Randsteher im Blick hat – auch wenn ich Ana hier nicht unter den Randstehern vermute. Das sind im Wesentlichen gefrustete Mitteleuropäer, die mit Argwohn beobachten, wie die süße Blondine vom Vortrinken auf einmal ganz eng mit Santi aus dem Loco Coco tanzt. Hat man seine Zielperson noch nicht entdeckt, läuft man anschließend noch einmal die beiden Raumdiagonalen quer über die Tanzfläche ab. Fertig ist das Wahlkreuz.
Auf dem Housefloor habe ich kein Glück mit meiner Taktik. Überrascht mich nicht wirklich, ich vermute Ana ohnehin eher auf dem Spanish Floor im Nebenraum. Der ist auch noch viel übersichtlicher, weil kleiner und schlechter besucht. Dennoch kann ich sie auch dort nicht finden.
Ich gehe noch einmal schnell zur Bar und will mir zur Stärkung einen Tequila reinflanken. Minutenlang suche ich den Augenkontakt mit dem Barkeeper, aber er ist ein Profi im ignoranten Weit-weg-Schauen. Und das, obwohl sich hinter uns eine blaue Wand befindet. Es ist ein fast schon kindisches «Guck mal, ich kann Cola und Bacardi mischen, ohne dabei hinzuschauen!», mit dem er wohl die an der Theke wartenden Mädels beeindrucken will. Die er zudem auch noch alle vor mir bedient. Er hat sich heute am Vorabend die Frage
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