Katerstimmung (German Edition)
meinen noch schlafenden Freunden ist wieder nur der Brustpelzschnarcher im Zimmer. Dabei sind die anderen vier Betten auch bezogen. Aber das sind vermutlich solche Städtetourstreber, die morgens um sieben aufstehen und nach 35 Kilometern zu Fuß um zehn Uhr abends todmüde ins Bett fallen. Nachdem sie mit Textmarker die Sehenswürdigkeiten im Reiseführer abgehakt haben.
Auf dem Display steht «Kratzklaus». Es wird Ernst. Ich befürchte, dass die heitere Urlaubskomödie endgültig zum Katastrophenfilm wird. Aber selbst da sieht man den Hauptdarsteller am Ende knutschend auf dem Berg vor der brennenden Stadt. In meinem Drehbuch hat man den Handlungsstrang mit der Liebe auf halbem Weg wieder rausgestrichen.
Kurz entschlossen drücke ich Klaus weg. Erst mal will ich wissen, ob beim Express der gegebene Fall eingetreten ist. Ich renne aus dem Zimmer und stürme die Treppe runter. Wären wir bei TKKG, hieße es an dieser Stelle: «Tarzan nahm acht Stufen auf einmal.»
Der Computer ist ausnahmsweise nicht in englischer Hand. Mit feuchten Händen tippe ich die Buchstaben in die Browserzeile. Der Aufmacher bin ich schon mal nicht. Ganz oben auf der Seite wird unter dem Titel «Geißbockheim-Renovierung: Der Liveticker!» auf ein weiteres Highlight der FC-Berichterstattung verwiesen. Die Fußballbegeisterung in Köln kennt wirklich keine Grenzen. Da darf man sich auch nicht über minütliche Updates der Malerarbeiten im Clubhaus wundern. Ich scrolle weiter nach unten, vorbei an Kopf-ab-Mördern, Ekel-Huren und Nazi-Hasen, dann sehe ich es. Simons Gesicht. Daneben die Überschrift «Drogenhölle Costa Brava! Erstes Opfer packt aus: Ich wurde als Kurier missbraucht!» Die haben wirklich meine Story gebracht. Erleichtert, verwirrt und stolz gehe ich zurück in unser Zimmer. Aber was will Klaus jetzt von mir? Bisher war ja nur die Rede davon, was passiert, wenn nichts im Express steht. Unsicher rufe ich Kratzklaus zurück.
«Thomann.»
«Klaus! Guten Morgen. Du hast angerufen?»
«Eher Mittag. Wo bist du?»
«Ich … ich bin noch in Spanien, aber ich könnte heute Abend …»
«Gut. Woher auch immer du das mit dem Express wieder wusstest: Die Story ist nicht schlecht. Gerade jetzt zur Urlaubszeit.»
«Ich hab’s dir doch gesagt», sage ich mit einer Lässigkeit, als hätte ich keine Sekunde daran gezweifelt.
«Na ja, wenn du uns was Exklusives dazu lieferst, bringen wir das heute in den News .»
Mit einem Mal ist der Spieß umgedreht. Jetzt bin ich der Pate und Klaus ruft mich aus seinem komplett zerlegten Apartment an. Er wollte ja nicht glauben, zu was ich fähig bin.
«Ich schau mal, was sich machen lässt. Weißt du, man lebt hier sehr gefährlich.»
«Was knattert denn da bei dir die ganze Zeit?»
Ein spanisches Unterhemd mit Brustteppich, das im Hostelbett über mir schläft. Übrigens: In meinem hatte Joel die Nacht seines Lebens! – Das klingt nicht wirklich nach James Bond, daher antworte ich: «Verdammt! Hören die uns wohl ab. Ich muss Schluss machen.»
Ich lasse Lenny und Wilhelm ausschlafen. Was immer wir heute machen, um an exklusives Material zu kommen – es wird ihnen nicht gefallen. Wenn wir das zu dritt diskutieren, endet vermutlich jeder Vorschlag im nächsten Flugzeug nach Deutschland. Zumindest fallen nach der Erfahrung von gestern all die schönen Optionen weg, bei denen man der Realität ein bisschen auf die Sprünge hilft. Ich muss mir selbst einen Plan ausdenken. Einen Plan 3000.
Das subkontinentale Frühstück schmeckt unterirdisch. Ich konzentriere mich daher auf Kaffee. Es heißt doch immer, drei Bier sind ein Schnitzel. Ich versuche mir einzubilden, dass drei Kaffee ein warmes Croissant mit Butter und Honig sind. Klappt nicht. Dafür müsste wenigstens der Kaffee schmecken. So fühlt es sich eher an, als seien drei Kaffee ein labbriges Brötchen mit abgepackter Marmelade. Und da wären wir wieder beim subkontinentalen Frühstück angekommen.
Ich ziehe ein paar Straßen weiter und setze mich in ein Café, dessen Inneneinrichtung in verschiedenen Brauntönen und Giftgrün gehalten ist. Könnte affig aussehen, ist hier aber ziemlich stylisch. Man kann mit grellen Farben auch dezenter umgehen als die Designerin von Hella von Sinnens Overalls. Ein Blick auf die Preise verrät: Die müssen dem Innenarchitekten wohl noch einige Raten abstottern. Vier Euro für einen Kaffee. Da krieg ich an der Bude drei Bier für. Vielleicht sogar ein Schnitzel. Allerdings ist die Karte auf den
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