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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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Stehtischen vor Karins «Snack’s und Getränke»-Stand laminiert und abwaschbar, im Blequala hingegen auf einem mattbraunen, faserigen Naturpapier gedruckt, das vermutlich zwei Euro pro Blatt kostet. Bei solchen Papiersorten frage ich mich im Schreibwarenladen immer, wer das kauft. Ich war einmal kurz davor, als ich einen Liebesbrief von Hand schreiben musste, weil mein SMS-Speicher voll war. Aber dann habe ich in einer Schublade einen alten Bogen Diddl-Briefpapier aus Grundschulzeiten gefunden und mich entschieden, über die Humorschiene zu kommen. Mit guten Gags spart man manchmal wirklich Geld. Auch wenn sie den Diddlbrief in Schreibschrift nicht so witzig fand wie ich. Eigentlich gar nicht. Aber ich hätte ihn auch nicht betrunken schreiben sollen. Wieso man dann aber auch jedes Gesicht mit Brille und Hitlerbart verziert! Sogar das von Mäusen!
    Ich schwöre mir, Ana jedes Jahr zum Hochzeitstag einen Brief auf Strohseidenpapier zu schreiben, und bestelle ein Blequala Water. Kostet nur 3,50 Euro und wird von allen Yuppies um mich herum getrunken. Bevor sie in ihre schicken Büros, coolen Hinterhofagenturen oder nach Hause gehen, um ein, zwei Apps zu entwickeln.
    Ich sehe, wie die Bedienung hinter der Theke mit einer Pipette irgendetwas Schwarzes in mein Wasser tropft. Will mich die Drogenmafia vergiften? Ich dachte, in deren Kreisen löst man so was eher mit dem Geigenkasten. Dann fällt mir aber auf, dass in jedem der zahlreichen Gläser Blequala Water um mich herum ein kleines schwarzes Kunstwerk schwimmt, das wohl durch die explosionsartige Verteilung des ominösen schwarzen Tropfens entsteht. Sieht aus wie Wasserfarbe. Glücklicherweise schmeckt es nicht auch noch so. Es schmeckt nach nichts. Nach Wasser. Es ist die konzentrierte Oberflächlichkeit unserer Zeit. Sieht bombastisch aus, kann aber nichts. Es steht in einer Reihe mit Sarah Palin, Alarm für Cobra 11 und dem Expo-Pavillon von Dubai. Dieses Getränk hat keine inneren Werte.
    So wirklich inspiriert werde ich durch den In-Drink daher nicht. An der Wand neben dem Eingang steht ein quadratisches Holzregal mit Büchern. Vielleicht ist da ja was dabei. Leider stehen die Bücher nicht, sondern liegen. Übereinandergestapelt. Und offensichtlich nach Farben sortiert. Langsam geht mir Señor Blequala auf die Nerven. Es zählt zu den schönen Errungenschaften der Menschheit, dass Bücher nebeneinander ins Regal gestellt werden. Dann kann man das, das man will, problemlos rausziehen, ohne Jenga spielen zu müssen. Genauso wie es zu den schönen Errungenschaften der Menschheit zählt, Wasser mit Saft, Zucker oder wenigstens Kohlensäure geschmackvoller zu machen. Und nicht mit Wasserfarbe. Wenn der Kerl sich um die Neugestaltung der örtlichen Stadtbibliothek kümmern müsste, käme er vielleicht auf die Idee, aus allen Büchern einen Riesenturm im Foyer zu stapeln. Oder die Kunden mit sinnfrei auf Buchseiten verteilten schwarzen Tropfen zu verwirren. Und selbst wenn die verantwortlichen Bibliothekare ihm für so eine Idee den Vogel zeigen, ins MoMa käme er damit bestimmt. Ich sehe schon die Informationstafel: «Bruno Blequala, The Black Drop (Wasserfarbe auf Strohseidenpapier).»
    Ich manövriere das Buch Inventing Almost Everything aus dem Regal, weil es auf Englisch ist und recht weit oben liegt. Auch wenn ich vermute, dass das Erfinden von Nachrichten eine jener Ausnahmen ist, die Autor Faickney Oswald zum «Almost» im Titel bewegt haben.
    Das Buch ist im Wesentlichen ein Fragenkatalog. Ich soll ein herkömmliches Produkt wählen und mit seiner Hilfe überdenken. In meinem Fall ist das herkömmliche Produkt wohl «Ein Jugendlicher auf der Straße, der als Drogenkurier missbraucht wurde». Also eigentlich ja nicht, aber so wurde es verkauft. Bisschen Schummeln wird schon erlaubt sein. Die Verzierungen auf den Lindt-Pralinen macht der Chocolatier-Opa ja auch alle einzeln mit der Pinzette. Ist klar. Ich blättere mich durch die Checkliste, die Faickney freundlicherweise in sieben Sprachen bereithält.
    «Wie lassen sich Rohstoffe durch eine Verlagerung der Produktion besser erreichen?»
    Was willst du von mir? Was für Rohstoffe? Also wenn es um den Rohstoff «deutscher Partynachwuchs» geht, dann sollte ich meine Nachrichtenproduktion in die Hotelhochburgen an der Küste verlagern. Obwohl, eigentlich keine schlechte Idee.
    «Wie kann man durch Vervielfachung einzelner Bestandteile die Gesamtwirkung erhöhen?»
    Na ja, statt eines Jugendlichen könnte ich

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