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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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gestellt, ob das Offenlassen des viert obersten Hemdknopfes cool oder asi ist. Beim Anblick seiner braun gebrannten Brustpakete entschied er sich für cool. Ich könnte zwar dank der Bild -Zeitung auch Tengo unos buenos pectorales , ich habe eine gute Brustmuskulatur, sagen. Aber erstens wäre das gelogen, und zweitens weiß ich nicht, in welchem Zusammenhang man so einen Satz äußert.
    Nach dem Tequila bin ich reif für den ultimativen Aussichtspunkt. Ich wage mich aufs Podest. Eigentlich verabscheue ich diese Poser-Plattformen nahe dem DJ-Pult. Und unbezahlt tanzen da meistens auch nur Exhibitionisten und Menschen, die befürchten, auf der Tanzfläche nicht gesehen zu werden. Es sind die Plateauschuhe der kleinen Egos. Aber andererseits hat man einen verdammt guten Überblick von da oben. Und den brauche ich gerade.
    Der DJ fordert uns lautstark dazu auf, den Lärmpegel im Club weiter zu erhöhen. «Make some noise!», hallt es immer wieder aus den Boxen. Um meine Anwesenheit zu rechtfertigen, gröle ich mit und versuche, mich kurz rhythmisch zu David Guetta zu bewegen. Dann stelle ich mich an die Kante und scanne Gesichter. Vergeblich. Doch auf einmal spüre ich, wie ich sanft am Hosenbein gezogen werde. Mein Puls klettert über Podesthöhe. Ich senke meinen Blick und hoffe, dass mich gleich zwei warme braune Augen von da unten anlächeln. Ich irre mich nicht. Allerdings gehören sie nicht Ana, sondern einem Latino-Owen. Bei genauerer Betrachtung merke ich, dass es der Latino-Owen von der Wache ist.
    «Hey, alemán!», ruft er hoch.
    Meine Stimme wäre in diesem Moment wohl genauso dünn und schluchzend wie die von Drogensimon vorhin. Und vermutlich würde ich das gleiche peinliche «Das war nur einmal» stammeln. Schließlich gibt es keinen triftigen Grund, eine Kamera auf einem Polizeirevier zu klauen. Und mit dem Mann im Mond sollte ich wirklich nicht argumentieren. Auch nicht im Luna Mar. Ich brülle: «I gave it back», und springe hastig vom Podest. Einmal mehr lande ich unglücklich auf einem harten Boden. Irgendwie flüchte ich Richtung Terrasse und verstecke mich hinter Lenny, der mich verdutzt anschaut. Dass ich von der Polizei verfolgt werde, glaubt er mir auch nur so lange, bis uns Latino-Owen mit Blondine im Arm lachend aus einiger Entfernung zuprostet.
    Da Lenny auf der Terrasse keinen Erfolg hatte, durchforsten wir noch einmal den Spanish Floor. Statt Wahlkreuztaktik versuchen wir es dieses Mal mit der Schneckenhausstrategie und am Ende sogar mit dem Das-ist-das-Haus-vom-Nikolaus-Laufweg. Aber es gibt keine Bescherung.
    Wir sammeln Wilhelm am Ausgang ein. Er hat Ana auch nicht beim Verlassen des Clubs gesehen. Ich rufe sie mehrmals an, aber sie geht nicht ran und hat die Mailbox ausgeschaltet. Wir sind wohl doch zu spät gekommen. Sie hat mir klar und deutlich geschrieben, wo sie sein wird, und ich Idiot komme erst um halb drei in den Club. Die war monatelang in Deutschland, die weiß, dass man bei uns früher weggeht. Wahrscheinlich saß die seit elf an der Bar und hat sich einen Gin Tonic nach dem anderen vom Brustproleten blind mischen lassen. Dann ist sie mit Tränen in den Augen aufgestanden und alleine am Strand entlang nach Hause geschlendert. Diese deutsche Unpünktlichkeit ist einfach zum Kotzen.
    «Aber dafür kam eben der Polizist von vorhin zu mir», berichtet Wilhelm. «Ich dachte schon wegen der Kamera, aber der wollte nur wissen, was ‹Quieres venir conmigo a tomar un café?› auf Deutsch heißt.»
    Hätte ich mir ja denken können, dass «Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps» bestimmt auch noch in seinem Büro hängt. Oder besser: «Dienst ist Kaffee und Schnaps ist Schnaps.» Da hätte ich mir den Podestsprung mal schön sparen können. «Aber dann gäbe es mich doch gar nicht!», klagt ein wonneproppener blauer Fleck, der sich unter so vielen Freunden schon richtig wohl fühlt. «Ruhig, Blauer», beschwichtige ich und streichel meine beiden erstgeborenen Lieblingsbeulen aus der wilden Ana-Nacht.
    «Was heißt das denn?», erkundigt sich Lenny bei Wilhelm.
    «Das heißt: Willst du noch auf einen Kaffee zu mir mitkommen?»
    Wenigstens ein deutsch-spanisches Paar hat sich heute gefunden. Ich muss wohl sitzen bleiben, bis ich aufgerufen werde.

[zur Inhaltsübersicht]
    Make Some News
    Es klingelt. Ana? Hat sie die zwanzig Anrufe in Abwesenheit gesehen? Ich quäle mich aus dem Bett in Richtung Steckdose, an der ich mein Handy über Nacht endlich mal vollgetankt habe. Außer

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