Kates Geheimnis
waren nicht größer als Schießscharten, und an der Stelle, wo einmal die Tür gewesen war, klaffte nur noch ein Loch.
Jill ging hinein. Der unangenehm süßliche Geruch des erdigen Bodens schlug ihr entgegen. Die Luft veränderte sich. Innen schien die Luft merkwürdig dünn zu werden, und es war sehr kalt und feucht.
Atemlos und mit fast schmerzlich pochendem Herzen berührte Jill einen harten Mauerbrocken. Er war roh und unbehauen.
Sie starrte darauf. Das Gefühl des Déjà-vu war überwältigend. Sie hatte letzte Nacht von genau diesem Moment geträumt, aber in ihrem Traum hatten Horror und Verzweiflung geherrscht - und Kate war da gewesen.
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»Was machst du da?«
Alex’ Stimme kam aus weiter Ferne. Jill konnte Kate wieder sehen, ihr bleiches, verzerrtes Gesicht, ihre riesigen schwarzen Augen, und dann hörte sie ihre Stimme ... zu viel auf dem Spiel steht ...
Jill rang nach Luft und schloss die Augen, ihr war schwindlig. Und speiübel.
Sofort ergriff Alex von hinten ihren Arm und stützte sie. Dankbar lehnte sie sich an seine Brust. »Ist dir schlecht?«
Sie konnte nicht antworten. Als der Schwindel nachließ, blieb Kates Gesicht ihr lebhaft vor Augen, und nun erkannte sie deutlich, dass ihre Augen Jill um Hilfe anflehten. Sie konnte sie fast wieder hören: Hilf mir, bitte, hilf mir ... Aber Jill dachte, dass sie sich die Stimme diesmal nur einbildete - sich vielleicht alles nur einbildete.
Plötzlich schienen sich die steinernen Wände des Turms zu bewegen. Sie neigten sich zueinander, als wollten sie immer näher an sie heranrücken.
Jill schüttelte den Kopf, um klarer zu sehen. Sie halluzinierte, weil der Traum sie so furchtbar aufgeregt hatte und weil sie sehr erschöpft war.
Jill riss sich von Alex los, sie sah ihn nicht einmal mehr, und kniete sich hin, um die feuchte Erde auf dem Boden zu berühren. Die Erde war grob und körnig in ihren Händen. Sie hatte dieselbe nasse, klumpige Erde schon einmal gespürt - letzte Nacht.
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Abrupt stand Jill auf. Sie fürchtete sich davor, hinunterzuschauen und ihre Hände zu öffnen, fürchtete sich ganz schrecklich, aber sie tat es.
Es war kein Blut daran.
Sie starrte auf ihre schmutzigen Hände und wartete darauf, dass sie sich mit Blut bedeckten.
Stattdessen sah sie Kate, keuchend, panisch, voll Dreck und Blut, das lange Haar, das ihr zerzaust und verfilzt über Schultern und Rücken fiel. Und dann schrie sie ...
»Ich krieg keine Luft«, rief Jill plötzlich, und bevor Alex etwas tun
konnte, war sie an ihm vorbeigesaust, hinaus in die frische Luft und den prasselnden Regen.
Sie stand draußen, hatte den Kopf zurückgelegt und die Hände dem Regen entgegengestreckt, damit der Dreck abgewaschen wurde, und zitterte am ganzen Körper.
Was passierte mit ihr? Es war doch nur ein blöder Traum gewesen! Aber ihr Herz sagte ihr etwas anderes. Mit Kate war etwas Schreckliches passiert.
Und vielleicht war es genau hier geschehen.
Jill merkte, dass sich auf ihren Wangen Tränen mit dem Regen vermischten.
Und plötzlich hallten ihr KCs gespenstische Worte durch den Kopf . Aus Kate wurdest du ...
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Es war eine erleuchtende Erkenntnis, wie eine Vorahnung. Kate war nicht einfach verschwunden, sondern es hatte sich eine furchtbare Tragödie abgespielt - und dieselbe furchtbare Tragödie stand auch Jill bevor.
»Jill?« Seine Hand schloss sich fest um ihren Oberarm.
Jill zuckte bei seiner Berührung zurück. Sie stand ihm gegenüber, ohne ihn zu sehen. Denn vor sich sah sie Kate, schmutzig, blutig, ausgemergelt, verzweifelt. Es war Kate, die ihren Arm packte. Es war Kate, die solche Angst hatte, die in großer Gefahr war ...
»Jill.« Das klang wie ein Peitschenschlag.
Es war nur ein Traum, sagte sich Jill, aber ihr war immer noch furchtbar schlecht. Sie wurde sich bewusst, dass Alex sie schüttelte. Sie holte tief Luft.
Gott sei Dank konnte er nicht sehen, dass sie weinte.
Endlich schaute sie ihn an und fuhr zurück, weil er sie so eindringlich betrachtete. Sie wollte dieses Erlebnis nicht mit ihm teilen, noch nicht, und vielleicht niemals.
Sie riss sich los, immer noch keuchend. Das Zittern hatte endlich nachgelassen, sie bekam wieder Luft, und als sie zu den Wänden des Turms hochschaute, standen sie da wie eh und je, solider Stein, völlig bewegungslos.
»Jill, was ist da drin passiert?«
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Seine Stimme war unglaublich sanft und warm. Jill wurde klar, dass sie im Augenblick völlig außer sich und sehr, sehr verletzlich war.
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