Kates Geheimnis
spät, dass sie die Worte ausgesprochen hatte, und presste zwei Finger an den Mund.
Er starrte sie wie gebannt an. Und schließlich sagte er: »Keine Frau hat mich je so empfinden lassen wie Sie.«
Sie fuhr sich über die Lippen. »Wie meinen Sie das?«
Er sah sie immer noch so an; er konnte die Augen nicht von ihr abwenden. »Sie verfolgen mich, Kate, unablässig, Tag und Nacht, Nacht und Tag. Meine Reise nach Übersee erschien mir endlos, denn ich habe mich so nach Ihnen gesehnt.« Nach einer Pause 513
sagte er: »Wir dürfen nie wieder allein miteinander sein.«
»Nein!« Ihr Aufschrei war heftig, überrascht.
Edward sagte: »Wissen Sie, wie gefährlich es für uns ist, allein zu sein? Ich bin bereits sehr im Gerede, und dasselbe gilt für Sie. Sollte man uns in einer solch kompromittierenden Situation überraschen, wären Sie endgültig ruiniert, meine Liebe.«
Dann heirate mich, dachte Kate, sagte aber nichts Derartiges. »Der Klatsch ist mir egal. Nur Sie sind mir wichtig.«
Er rührte sich nicht. »Sie sind eine Frau ganz ohne Falsch - eine sehr mutige Frau. Sie bedeuten mir auch sehr viel, Kate. Aber wir dürfen unseren Gefühlen keinen freien Lauf lassen. Sie könnten uns ins Unglück stürzen. Wir müssen vorsichtig sein.«
»Warum? Was nützt denn die Vorsicht? Bringt sie Freude, Liebe, Glück?«
In seinen Augen stand ein sehr ernster Ausdruck.
»Sollen wir unser Leben lang von Leuten wie Lady Bensonhurst bevormundet werden?«, rief Kate.
»Wenn wir uns unser Leben lang nur darum sorgen, was andere von uns denken, wie, bitte sehr, findet man Glück statt Elend?« Sie sah ihn flehentlich an.
»Mit Ihnen habe ich das Glück gefunden, Mylord.
Bitten Sie mich nicht, es wegzuwerfen wegen einiger verbitterter, eifersüchtiger alter Damen mit losen 514
Zungen, die es genießen, andere in Schwierigkeiten zu bringen.«
Er griff nach ihr und zog sie an sich, umarmte sie ohne einen Kuss. Er hielt sie für einen langen Augenblick. »Ich will Sie nicht verletzen«, sagte er.
Kate wich zurück, um ihm ins Gesicht zu sehen.
»Und wie könnten Sie mich verletzen, Mylord?«
»Mein Vater erwartet, dass ich eine anständige junge englische Dame heirate. Er hat schon eine Liste junger Damen mit tadelloser Abstammung, riesigem Vermögen und völlig überbewerteten Titeln. Ich bin kurz davor, mich in Sie zu verlieben, Kate. Vielleicht bin ich schon in Sie verliebt.« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Das wäre ein schrecklicher Fehler. Es wäre ein Fehler für uns beide.«
Kate entzog sich ihm. »Die Liebe, wenn sie wahrhaftig ist und stark, ist niemals ein Fehler.«
»Sie sind zu romantisch«, sagte er.
»Ja, das bin ich. Und werden Sie immer Ihrem Vater gehorchen?«, gab Kate unsicher zurück.
»Ich bin sein Nachfolger. Ich bin ihm verpflichtet und dem Titel«, sagte Edward gelassen.
Kate stand wie erstarrt. Verzweiflung und Euphorie rangen in ihrem Inneren. Er wollte sie, vielleicht liebte er sie sogar, so wie sie ihn liebte, aber es war seine ehrenvolle Pflicht, dem Wunsch seines Vaters gemäß irgendeine hochanständige Engländerin zu heiraten, mit einem alten Titel und einem großen 515
Vermögen. Wie konnte er auch nur an so etwas denken, wenn er sich in sie verliebte?
Dann ermahnte sich Kate, an die Macht der wahren Liebe zu denken, an das Schicksal zweier füreinander bestimmter Seelen. Sie liebte ihn vom ersten Augenblick, an jenem Tag in Brighton, und sie wusste, dass er sie ebenso leidenschaftlich liebte -
selbst jetzt konnte sie es in seinen Augen lesen.
Sicher konnte ein einzelner uralter Mann, so einflussreich er auch sein mochte, sich nicht zwischen sie drängen. Die Liebe, das wusste Kate, würde immer einen Weg finden. »Ich werde Ihnen nicht Lebewohl sagen, wo wir doch gerade erst am Anfang stehen.«
Er lächelte leicht. »Habe ich denn vom Lebewohl gesprochen? Ich kann Ihnen nicht Lebwohl sagen, Kate. Vielleicht ist es das, was mich so erschreckt.«
»Mich erschreckt es nicht«, gab Kate leise zurück, wieder völlig obenauf.
Seine Augen verdunkelten sich, und er zog sie noch einmal in seine Arme. Dieser Kuss war atemberaubend, so intensiv, dass sie auf die Knie ins Gras sanken, wo sie einander umklammert hielten, bis eine vorüberziehende Wolke die Sonne verdeckte und sie wieder zur Besinnung brachte.
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Siebzehn
S ie sah die drei, Anne, Edward und Kate.
Jill warf sich ruhelos herum, während die Bilder und Geräusche einer Dinner-Party immer lebhafter und
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