Kates Geheimnis
Katze. Na ja, die Katzen konnten ganz gut auf sich selbst aufpassen, und sie hatte keine Ahnung, was hier gerade umgefallen war. Sie würde sich morgen darum kümmern, wenn es hell war.
Ein merkwürdiges Jammern schien durchs Haus zu tönen.
Jill hatte sich gerade eine Cola aufgemacht und erstarrte. Einen Moment lang glaubte sie, sie höre eine Frau weinen - und die erste Frau, an die sie dachte, war Kate.
Aber das Geräusch klang so schwach. Jill stellte die Dose weg und spitzte die Ohren. Da war es wieder.
Ein leises, jämmerliches Wienen.
Kate war tot. Und Jill glaubte vielleicht an Gespenster - irgendwie , aber sie hatte noch nie eines gesehen und war auch gar nicht scharf darauf. Sie bekam eine Gänsehaut. Ängstlich wanderte ihr Blick durch die Küche und über die nachtschwarzen Fenster.
Sie sagte sich, dass sie sich alles nur einbildete.
Aber das durchdringende Weinen ging weiter.
Ihr Herz begann heftig zu pochen, und sie brach in Schweiß aus. Sie ging ins Wohnzimmer und hörte nichts mehr, aber als sie dann stehen blieb und ihre 539
eigenen leisen Schritte verstummten, hörte sie es wieder.
Sie fuhr zur Treppe herum. Kam das Geräusch von oben?
Oh verdammt, dachte Jill. Der ganze erste Stock lag in pechschwarzer Dunkelheit, und sie wollte da nicht rauf.
Der Lichtschalter befand sich am oberen Ende der Treppe.
Das Weinen - das jetzt mehr wie klägliches Miauen klang - verstummte nicht.
Es schien ihr doch sehr wirklich zu sein.
Sei nicht so ein Feigling, schimpfte Jill mit sich. Sie sah sich nach etwas um, womit sie sich verteidigen könnte, und entschied dann, dass gegen einen Geist sowieso nichts helfen würde. Vorsichtig ging sie auf die Treppe zu und dann langsam hinauf. Als sie auf dem oberen Treppenabsatz in völliger Dunkelheit stehen blieb, hörte sie das Jammern ganz deutlich.
Es schien aus ihrem Schlafzimmer zu kommen, Herrgott.
Jill knipste das Licht an. Der Flur war hell. War es eine der Katzen? Jill hatte plötzlich keine Angst mehr vor Gespenstern, sondern rannte ins Schlafzimmer, machte Licht und sah sich um. Das jämmerliche Weinen drang unter ihrem Bett hervor.
Jills Herz klopfte heftig, als sie sich auf alle viere herabließ. »John? John?« Sie kroch vorwärts. Was 540
sollte das? Sir John kam niemals in ein Zimmer, wenn sie darin war, und er hatte auch niemals eine Pfote in ihr Schlafzimmer gesetzt, solange sie hier war. Aber jetzt kauerte er unter dem Bett und miaute kläglich, die weit aufgerissenen Augen starr auf sie gerichtet.
»Komm her, mein Schatz«, lockte Jill. »Was ist denn, mein Süßer?« Der Kater hörte auf zu jaulen. Er starrte sie an, und sein Blick war fast menschlich -
und unglaublich traurig.
Jill erschrak fast zu Tode, als es plötzlich unten an der Tür klopfte. Dann sagte sie sich, dass das der Pizza-Service sein musste. Sie schaute noch einmal unter das Bett. Was hatte der arme Sir John? Der Türklopfer wurde noch einmal geschwungen, diesmal drängender. Jill eilte aus dem Schlafzimmer und stolperte hinunter. Im Flur blieb sie vernünftigerweise stehen und fragte: »Wer ist da?«
»Pizza.«
Erleichtert, aber immer noch in Sorge um den Kater, öffnete Jill die Tür. Ein stämmiger, sommersprossiger junge hielt ihr mit einer Hand die Pizzaschachtel hin und deutete mit der anderen nach links. »Miss«, sagte er.
Jill schaute in die Richtung, in die sein Finger zeigte. »Sie haben eine tote Katze vor Ihrer Tür, Miss.«
Noch während er sprach, entdeckte Jill die enthauptete Katze in einer hellroten Blutlache.
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Und während sich ein gewaltiger Schrei in ihr Bahn brach, erkannte sie Lady E.
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Neunzehn
J ill floh ins Haus und rannte blindlings in die Gästetoilette, wo sie sich prompt übergab.
»Miss! Sie müssen noch die Pizza bezahlen!«
Jill klammerte sich an die Toilettenschüssel und würgte wieder und wieder, während sie Lady E.s kopflosen, blutigen Körper vor sich sah. Der Pizza-Lieferant rief immer noch nach ihr. Jill verstand gar nicht, was er sagte. Lady E. war tot.
Sie würgte noch einmal, dann erhob sie sich langsam.
Der Pizza-Junge hämmerte an die Tür.
Jill drehte sich um und wankte aus der Toilette.
Was sollte sie tun? Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Plötzlich rannte sie durch das Wohnzimmer in die Küche. Oh Gott! Wo war ihre Tasche mit ihrem Filofax?
Jill raste ins Wohnzimmer zurück und sah ihre Shoppertasche neben der Reisetasche an der Tür stehen. Noch im Laufen sah sie durchs Fenster,
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