Kates Geheimnis
dass er das Schloss ihrer Haustür mit verbundenen Augen knacken könnte.
Dann hörte Jill draußen auf der Straße Reifen quietschen und den PS-starken Motor seines Lamborghini dröhnen, während sie dastand und zu atmen vergaß. Sie rührte sich nicht.
Lady E. war eine Warnung. Jill war ganz sicher.
Wer hatte sie da gewarnt?
Jemand, der nicht wollte, dass sie herausfand, wer Kate ermordet hatte. Ein Sheldon - und vielleicht Alex Preston.
»Jill! Jill!« Alex hämmerte an die Tür. »Guter Gott!«
Jill begann wieder zu zittern. Alex war den Sheldons gegenüber sehr loyal, aber er würde niemals 547
so weit gehen. Er war kein Irrer, und er hatte Lady E.
nicht getötet. Er war ja in seinem Büro gewesen.
Aber konnte man Anrufe nicht überallhin weiterschalten?
»Jill! Bist du okay? Verdammt noch mal!«, tobte er draußen.
Jill rührte sich nicht vom Fleck. Soweit sie wusste, hätte er ihren Anruf auch um die nächste Ecke an seinem Handy annehmen können.
Oder er hätte jemanden anheuern können, der die Dreckarbeit für ihn erledigte.
Glas zersplitterte wie bei einer Explosion. Jill schrie auf.
Plötzlich raste Alex durchs Haus und drückte einen Lichtschalter nach dem anderen. Er blieb abrupt stehen, als er Jill sah, die wie angewachsen in der Küche stand, mit dem Rücken zu der Tür, die sie eben verschlossen hatte.
»Gott sei Dank, dir fehlt nichts!« Er kam auf sie zu.
Auf seinem Gesicht spiegelte sich nur Besorgnis.
Aber sie trat zurück, wich ihm aus.
Seine Augen weiteten sich. »Jill?«
Sie versuchte verzweifelt, klar zu denken - ihre Angst und Hysterie in den Griff zu bekommen. Aber sie hatte ihre Gefühle nicht unter
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Kontrolle. Jill war es, als rase sie in einer Achterbahn auf die allerschlimmste Abfahrt zu.
»Jemand hat die Katze getötet!«
»Ich weiß. Jill. Ist schon gut«, beruhigte er sie.
Sie konnte nicht noch weiter zurückweichen - sie stand mit dem Rücken so fest an die Tür gepresst, dass sich der kleine Riegel schmerzhaft in ihre Schulter bohrte. »Nichts ist gut. Lady E. ist tot. Wer hat das getan?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
Sie starrte ihn nur an, während ihre Gedanken sich sinnlos immer wieder im Kreis drehten und sie Lady E.s blutigen kleinen Körper vor sich sah.
»Du zitterst ja wie Espenlaub.« Er kam näher und streckte die Arme nach ihr aus.
Jill wich zur Seite. »Das war kein böser Streich.«
Er riss erstaunt die Augen auf.
»Das war eine Warnung.«
»Eine Warnung«, wiederholte Alex verständnislos.
Jill nickte, und dann fing sie an zu weinen.
Plötzlich nahm er sie ganz fest in die Arme und zog sie an sich. »Du zitterst am ganzen Leib, und du bist so steif wie ein Brett. Süße. Es war nur ein Dummejungensstreich.«
»Du bist einer von ihnen«, wollte sie sagen, aber sie konnte nicht, denn sie heulte sich an seinem 549
hellblauen Button-Down und seiner rotkarierten Krawatte aus.
Eine seiner großen Hände strich ihr übers Haar und weiter über ihren Hinterkopf. »Nicht weinen. Weißt du denn nicht, dass Tränen das Einzige sind, womit wir starken Machos nicht fertig werden?« Sie lächelte an seiner Brust.
Er drückte sie noch fester an sich. »Oh Scheiße.
Das geht wirklich zu weit«, murmelte er - jedenfalls glaubte sie, dass er das gesagt hatte.
Jill hoffte, sich verhört zu haben. Vielleicht hatte sie ihn auch falsch verstanden. Vielleicht hatte er ihre Heulerei gemeint. Jedenfalls war sie paranoid, wenn sie annahm, dass er etwas mit dem Tod der Katze zu tun hatte oder wusste, wer da zu weit gegangen war.
Alex mochte seine Familie schützen, aber er war kein Irrer. Nur ein Mensch, der keinerlei Moral besaß oder völlig durchgeknallt war, könnte einem geliebten Haustier den Kopf abschlagen - oder überhaupt einem Tier.
Er fühlte sich so sicher an und die Nacht draußen so schrecklich. Seine Hände verharrten auf ihren Schultern.
Langsam blickte Jill schließlich zu ihm auf.
Ihre Blicke trafen sich.
»Weißt du, wer die Katze getötet hat?«, hörte Jill sich mit ruhiger Stimme fragen. Aber diese Ruhe war 550
erzwungen. Innerlich war ihr immer noch furchtbar elend.
Er versteifte sich und ließ sie los. »Laß uns darüber reden.«
Jill nickte. Sie setzte sich an den Küchentisch. Alex begann, die Schränke zu durchsuchen. »Ich hab nichts zu trinken«, sagte sie.
»Na toll.« Er öffnete den Kühlschrank, betrachtete den dürftigen Inhalt und machte ihn wieder zu. »Du brauchst wirklich Hilfe in der
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