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Kates Geheimnis

Kates Geheimnis

Titel: Kates Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
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den Magen umdrehte, obwohl sie schon wusste, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte.
    »Janet Witcombe ist tot.«
    Sie sahen sich an. Jill konnte es nicht fassen, und einen Moment lang sah sie die liebe alte Dame auf einem Krankenhausflur liegen, ihr Gesicht im Tode grotesk verzerrt. »Was ist passiert?«, hauchte sie.
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    »Sie ist heute früh gestorben. Eine Kopfverletzung.
    Offenbar ist sie hingefallen«, sagte Lucinda händeringend. »Ach, kommen Sie doch herein, Jill.
    Da lasse ich Sie an so einem kalten Abend einfach draußen stehen - und Sie haben nicht mal einen Mantel an!«
    Jill betrat Lucindas hellen Flur. »Also war es ein Unfall«, sagte sie langsam. »Janet war sehr alt. Sie war schon weit über achtzig.«
    »Ich glaube, sie war gerade erst achtzig«, sagte Lucinda. »Soll ich uns einen Tee machen?«
    Jill antwortete nicht. Alte Menschen fielen hin und starben, das geschah jeden Tag. Es war nicht weiter ungewöhnlich. Warum war sie dann so ... alarmiert?
    So ... nervös?
    War es wirklich ein Unfall gewesen?
    »Jill? Was haben Sie? Sie sind so blass.«
    »Ich habe ein bisschen zu viel getrunken«, erklärte Jill und schüttelte den Kopf. Aber er wurde nicht klarer. Alle ihre Sinne schienen ihr eine Warnung zuzuschreien, die sie nicht verstehen wollte.
    »Janet wirkte sehr gesund und munter für eine so alte Frau.« Lucinda sah sie erstaunt an, und ihre blauen Augen hinter ihrer Schildpatt-Brille weiteten sich. »Sie glauben doch nicht ... ?«
    Sie schnappte nach Luft. »Jill, Janet ist hingefallen .
    So einfach ist das.«
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    »Lucinda, ich bin völlig erledigt. Ich gehe wohl lieber nach Hause.«
    »Sind Sie sicher, dass Sie nicht doch auf eine Tasse Tee bleiben wollen? Sie wirken so bedrückt.«
    Jill lehnte ab, sie wollte nach Hause, allein sein und nachdenken. Vor Lucindas Tür blieb sie stehen und starrte wieder hinüber zu ihrem Haus, und ihre Nackenhaare sträubten sich. »Ach, sei kein Idiot«, schimpfte sie laut. Niemand hatte Janet Witcombe wegen ihrer Erinnerungen an ein Gespräch ermordet, das vor dreißig Jahren stattgefunden und sich um eine Frau gedreht hatte, die vor neunzig Jahren verschwunden war. Und außerdem musste sie Sir John füttern.
    Entschlossen marschierte Jill auf ihre Wohnung zu.
    Es erschien ihr schwierig, den Schlüssel ins Schloss der Haustür zu bekommen, und noch schwieriger, sie aufzusperren. Jill merkte, dass ihre Hände zitterten.
    Alex hatte ihr einen Arzt empfohlen. Vielleicht sollte sie hingehen. Sie wusste nicht, wie lange ihr Körper noch mit dem ungeheuren seelischen Stress fertig werden konnte.
    Endlich bekam sie die Tür auf und machte das Licht an. Sie erstarrte.
    Jemand hatte ihre Wohnung auf den Kopf gestellt.
    Schubladen lagen herausgerissen auf dem Boden, der Inhalt war überall verstreut, das Sofa aufgeschlitzt, die Kissen durch den Raum geschleudert, und die 582

    offenen Türen des Buffets schwangen wild hin und her.
    Jill stolperte zurück, als sie das ganze Ausmaß der Zerstörung sah, und schrie auf.
    Und dann schnellte ihr Blick zurück zu der Anrichte
    - den offen stehenden Türen. Sie schwangen hin und her.
    Wer auch immer das getan hatte - hatte es gerade eben getan.
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Einundzwanzig
    15. September 1908
    K ate lehnte sich vor, sie war so aufgeregt, dass sie sich kaum beherrschen konnte. Bensonhurst war vor ihr aufgetaucht, am Ende der Straße. Ihre zweispännige Kutsche bewegte sich rasch auf das imposante Anwesen mit seinen gotischen Türmchen und neoklassizistischen Säulen zu. Kate setzte sich wieder in die Samtpolster ihres Sitzes zurück, rang die Hände im Schoß und strahlte. Sie hatte Anne so lange nicht gesehen, und sie konnte es kaum noch erwarten!
    Die Kutsche hielt auf dem gepflasterten Vorplatz.
    Kate konnte nicht darauf warten, dass der Diener ihr die Tür öffnete, und stieß sie selbst auf. Als sie heraustrat, erschien er, um ihr zu helfen. Kate war jetzt rundlicher, seit sie vor vier Monaten ihren Sohn geboren hatte. Sie war, so dachte sie wehmütig, eine plumpe Matrone geworden. Edward allerdings hatte erst letzte Nacht behauptet, ihre Kurven seien einfach hinreißend.
    Sie errötete nicht bei dem Gedanken an die Leidenschaft, die sie nach so vielen Monaten der Enthaltsamkeit wiedergefunden hatten. Aber ihr Herz klopfte heftig, und sie wartete ungeduldig darauf, wieder in seinen Armen zu liegen. Dabei hatte er sie 584

    erst vor ein paar Stunden verlassen. Und schon vermisste sie ihn - vermisste ihn fast

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