Kates Geheimnis
sah Kate sie an.
Anne lächelte mit gesenktem Blick. »Aber das habe ich.«
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»Wie bitte?« Kate war nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. Anne sah sie mit leuchtenden Augen an und drückte fest ihre Hände. »Ich bin verliebt, Kate, in einen fantastischen Mann, einen Mann mit Eleganz, Charme und umwerfendem Aussehen! Er ist sogar einer der begehrtesten Junggesellen des Landes, und unsere Familien sind sich bereits einig geworden!«
»Oh Anne - warum hast du mir das nicht sofort erzählt!«, rief Kate begeistert.
Anne zuckte mit den Schultern und lächelte heimlich. »Manchmal muss man sich das Beste eben bis zum Schluss aufheben.«
»Ach, jetzt spann mich doch nicht so auf die Folter!
Wer ist dieser Ritter ohne Fehl und Tadel, den du heiraten wirst?«
Anne lachte. »Oh ja, er ist ein edler Ritter, Kate, und ich glaube, das findest du auch, denn du hast ihn letztes Jahr kennen gelernt. Es ist Lord Braxton, Collinsworths Erbe.«
Kate schnappte nach Luft.
Ihr Herz verkrampfte sich und wurde schwer wie ein Stein.
Und irgendwie ahnte etwas in ihr, dass dies der Anfang vom Ende war.
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Jills erster Impuls war, zu fliehen. Stattdessen machte sie hastig das Licht wieder aus. Dunkelheit umfing sie.
Oh Gott. War der Einbrecher noch da? Sollte sie die Polizei rufen? War mit Sir John alles in Ordnung?
Jill wagte kaum zu atmen. Sie lauschte so angestrengt, dass sie das Fallen einer Stecknadel gehört hätte. Im Haus war es entsetzlich still.
Beängstigend still.
Sie musste Sir John finden. Sie hatte Angst, ihn könnte dasselbe Schicksal ereilt haben wie Lady E.
Aber sie verlor den Mut - sie stand immer noch mit dem Rücken an der Wand neben der Haustür. Ihre Knie fühlten sich merkwürdig wackelig an.
Jill griff hinter sich und tastete vorsichtig nach dem Türknauf. Als sie ihn gefunden hatte, drehte sie daran, stieß die Tür auf und rannte hinaus, rüber zu Lucinda.
Sie hämmerte an die Tür ihrer Nachbarin.
»Jill?« Lucinda erschien fast augenblicklich.
»Meine Liebe, was haben Sie denn? Was ist passiert?«
Jill sprach durch klappernde Zähne. »Jemand hat meine Wohnung durchwühlt.« Sie musste an Alex denken. Er konnte ja jemanden dafür angeheuert haben, genauso wie Thomas und William oder sonst irgendjemand. Jeder in der Familie konnte etwas damit zu tun haben.
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»Kommen Sie rein, Jill«, sagte Lucinda ehrlich besorgt. Sie nahm
ihren Arm und zog sie ins Haus. »Sind Sie sicher, dass man die Wohnung tatsächlich durchsucht hat?«
Sie schloss hinter ihnen ab. »Lucinda. Jemand hat im Wohnzimmer alles auf den Kopf gestellt, sogar die Kissen sind aufgeschlitzt«, rief Jill entsetzt.
»Ach du meine Güte. Aber - in dieser ruhigen Gegend?«
Jill ging an ihr vorbei, setzte sich aufs Sofa und stützte den Kopf in die Hände. »Das war einer von ihnen. Einer von den Collinsworths. Jemand, der glaubt, ich wollte etwas von ihrem Vermögen abhaben. Oder jemand, der nicht will, dass ich aller Welt erzähle, was ich über Kate und Edward weiß.«
»Jill, Sie glauben doch nicht, dass jemand aus der Familie jemals so etwas tun könnte. Vielleicht sollten Sie lieber die Polizei anrufen.«
Jill verzog das Gesicht und griff mit einer zittrigen Hand nach dem Telefon. Aber sie nahm nicht ab, sondern sagte gedehnt: »Was wird die Polizei denn machen? Sie werden sich meine Geschichte anhören und mich für verrückt erklären.« Jill sah Lucinda an und begann wieder am ganzen Leib zu zittern. Die Polizei würde hören, wie sie über ihre vor neunzig Jahren verstorbene Urgroßmutter sprach, und ihr ins Gesicht lachen. Sie würden sie für eine Irre halten.
Und sie konnte sich gut vorstellen, wie aufrichtig und überzeugend William und Thomas erscheinen 594
würden, wenn die Polizei tatsächlich wagen sollte, sie zu befragen. »Die Sheldons sind hier sehr angesehen -
ich werde diejenige sein, die am Ende schlecht aussieht, nicht sie.«
»Jill, ich bin ganz sicher, dass die Familie damit nichts zu tun hat. Collinsworth ist ein Stützpfeiler der Gesellschaft. Wussten Sie, dass auch alle Earls vor ihm herausragende Männer waren? Sie haben die Menschen angeführt, Gesetze geschaffen und so weiter. Es ist fast eine Tradition; die Gesellschaft erwartet Führung und Uneigennützigkeit von den Earls of Collinsworth.«
»Nein, das wusste ich nicht.« Jill bibberte immer noch und versuchte das Zittern zu stoppen, indem sie die Arme um sich schlang und
möglichst tief durchatmete. Es funktionierte
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