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Kates Geheimnis

Kates Geheimnis

Titel: Kates Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Blumen, Bäumen, Landschaften, Stonehenge. Und dann waren da Bilder von seiner Familie.
    Jill blinzelte die Tränen fort und nahm ein Foto von Thomas herunter, das wohl etwa zehn Jahre alt war.
    Schon damals hatte er das blendende Aussehen eines Models oder Schauspielers besessen. Jill starrte auf das Bild. Nicht, weil er nach all den Jahren noch besser aussah, sondern deshalb, weil die Aufnahme ihn offensichtlich schmeichelhaft darstellte; Hal hatte Thomas eingefangen, als er sich über ein Baby beugte, und sein Gesicht zeigte einen zauberhaften Ausdruck von Liebe. Das Kind, nahm Jill an, war sein eigenes.
    66

    Sie stellte das Bild zurück. Dann erstarrte sie.
    In einem weiteren Regal standen mehrere Fotos von Hal als Teenager und als junger Mann. Es waren keine Selbstporträts, Jill kannte Hals künstlerische Handschrift genau. Diese hatte jemand anderes gemacht.
    Sie begann lautlos zu weinen, und die Tränen strömten ihr unablässig über die Wangen.
    Sie berührte die Rahmen. Auf einem Foto spielte er Fußball, das nächste zeigte ihn bei einer Jagd mit der Meute - auf diesem sah er so unverschämt blaublütig aus, und auf dem letzten hielt er sein Abschlusszeugnis hoch. Sie musste durch ihre Tränen hindurch lächeln.
    Dann blieb ihr Blick an einem vierten Bild hängen.
    Es zeigte ihn auf einem Skihang mit einer jungen Frau. Ein scheußlicher Stoß durchfuhr sie, während sie es betrachtete. Das war nicht Lauren - diese Frau hatte rotes Haar und war umwerfend schön. Natürlich musste das Foto mehrere Jahre alt sein, und ihre erste Reaktion, Eifersucht, war völlig absurd. Jill studierte es aus der Nähe und kam zu dem Schluss, dass Hal sehr dünn aussah, selbst in seinem Skianzug. War er krank gewesen, als das Foto gemacht wurde?
    Sie stellte es wieder hin und ließ den Blick über die wenigen Bücher huschen, die noch auf dem Regal standen. Dann schlenderte sie zum Bett, das mitsamt den hohen Pfosten aus massivem, sehr dunklem Holz gefertigt war. Ihre Hand strich über die karierte 67

    Steppdecke. Er hatte wahrscheinlich jahrelang nicht darin geschlafen.
    Sie setzte sich auf die Bettkante und betrachtete die Bilder, die an der Wand hingen. Die meisten waren Schwarzweißfotos. Viele waren von Leuten, die sie nicht kannte, viele von seiner Familie. Jill starrte ein Porträt an, das eine schöne, geradezu königlich wirkende ältere Frau zeigte; das musste seine Mutter sein, die Gräfin, die sie noch nicht kennen gelernt hatte. Die Ähnlichkeit war unverkennbar.
    Jill blieb reglos sitzen, saugte Hals Gegenwart in sich auf und konnte ihn für einen Augenblick beinahe neben sich spüren, doch dann war der Augenblick verflogen. Sie legte sich hin, jetzt noch erschöpfter als jemals sonst im Lauf der letzten Tage. Hals Bett war mehr als bequem - es war beruhigend und tröstlich.
    Sie konnte fast sein Eau de Cologne riechen, aber das entstammte nur ihrer Erinnerung.
    Sie legte den Kopf auf die andere Seite, und ihr Blick prallte förmlich gegen ein weiteres Foto - aber dieses war sehr alt und stand in einem antiken silbernen Rahmen auf seinem Nachttisch. Jill setzte sich auf.
    Sie nahm das gerahmte Bild von seinem Platz auf dem Tischchen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie es an.
    Es war eine alte Schwarzweißaufnahme von zwei jungen Frauen in altmodischer Kleidung. Für Jills ungeübtes Auge sahen sie nach Jahrhundertwende 68

    aus; die Röcke der weißen, langen Kleider waren schmal geschnitten, und beide Frauen trugen große Strohhüte. Sie standen dicht nebeneinander vor einem schmiedeeisernen Gitter. Sie starrten in die Kamera, ohne zu lächeln.
    Hatte das Bild Hal gehört?
    Jill war unsicher, bis sie sich daran erinnerte, dass sie in New York einige Museen zusammen besucht hatten. Hal hatte es Spaß gemacht, ihr Einzelheiten aus dem Alltagsleben im späten neunzehnten Jahrhundert zu zeigen - worüber er ziemlich viel zu wissen schien. Natürlich hatte das Bild ihm gehört.
    Zweifellos hatte er es bewundert.
    Jill betrachtete es genauer und versuchte herauszufinden, was ihn daran fasziniert hatte, aber für sie war es nur ein altes Foto von zwei hübschen jungen Frauen. Sie zuckte mit den Schultern und legte das Bild aufs Bett. Doch dann stutzte sie plötzlich.
    Hal hatte keine alten Fotografien gesammelt. Er war zu sehr mit seinen eigenen Arbeiten beschäftigt gewesen. Eine Gänsehaut lief ihr über die Arme.
    Jill zögerte und nahm dann das Bild wieder in die Hand. Einem unbestimmten Drang nachgebend,

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