Kates Geheimnis
Blick.
Keiner von beiden rührte sich.
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Elf
S ie saßen in der nächtlichen Dunkelheit. Jill hielt den Atem an. Noch immer rührte sich keiner von beiden.
Und jetzt? Dachte Jill, während ihr Herz gegen ihre Rippen hämmerte. Sollte sie ...oder sollte sie nicht?
Und warum musste sie überhaupt darüber nachdenken?
»Jill.«
Sie musste ihn ansehen. Das hatte halb wie eine Frage, halb wie ein Befehl geklungen. Sie sahen sich in die Augen. »Ich muss gehen«, platzte sie heraus, und dann beugte sie sich, ohne nachzudenken, das kleine bisschen vor, das sie trennte, und küsste ihn auf die Wange.
Es war ein flüchtiger Kuss. Eher eine Liebkosung ihrer Lippen auf seiner stoppeligen Haut.
Er roch fantastisch.
Jill fuhr zurück, kämpfte mit der Tür, bekam sie auf und sprang aus dem Wagen. Sie warf die Tür zu, winkte und lief den kleinen Weg zu ihrem Haus hinauf, als sei der Leibhaftige hinter ihr her.
Als sie zitternd den richtigen Schlüssel suchte, hörte sie den Motor des Lamborghini aufheulen. Aber 330
das elegante Ungetüm fuhr nicht ab. Jill hörte es hinter sich auf der Straße brummen.
Endlich schob sie ihre Tür auf, trat ein, machte Licht und schlug rasch die Tür zu. Als sie sie abschloss, erhaschte sie durch das kleine Fenster in der Tür einen Blick auf seine nachtschwarze Silhouette in dem Sportwagen. Erst dann hörte sie ihn wegfahren.
Sie lehnte die Stirn an das glatte Holz. Warum, zum Teufel, hatte sie das getan? Sie Idiotin hatte völlig falsche Signale ausgestrahlt, sie ermutigte ihn ja noch und bettelte förmlich um Schwierigkeiten.
Schlimmer noch, ihre Wohnung erschien ihr auf einmal mehr als leer, und sie fühlte sich schrecklich einsam.
Der nächste Morgen war sonnig und klar. Während Jill sich eine Riesenportion Rühreier machte, weigerte sie sich, an den vergangenen Abend zu denken, und versuchte stattdessen zu entscheiden, wie es mit ihrer Suche nach Kate Gallagher weitergehen sollte.
Vielleicht würde sie noch einmal nach Uxbridge Hall fahren. Lucinda konnte ihr bestimmt einen Rat geben, wo sie anfangen sollte.
Aber eine Frage ließ sie nicht los. Wer hatte die Briefe gestohlen? Bei Tageslicht betrachtet, meinte sie, dass beide Männer guten Grund dazu hatten, 331
Leichen im Keller der Collinsworths auch dort belassen zu wollen.
»Aber da haben sie wirklich Pech«, sagte sie zu Lady Eleanor, die in der Küche erschienen war und nun, die Augen auf Jill gerichtet, schnurrend auf ihr Frühstück wartete. »Denn Kate hat eine tolle Geschichte zu erzählen, und ich werde ihr Gehör verschaffen.«
Lady E. begann sich zierlich die Pfoten zu lecken.
Jill hoffte von ganzem Herzen, dass Kates Geschichte glücklich ausging.
Das Telefon klingelte. Jill konnte sich nicht vorstellen, wer das sein sollte, außer vielleicht Lucinda. Sie erschrak, als sie William Sheldons Stimme erkannte.
Nach einer höflichen, aber kühlen Begrüßung kam er sofort zum Punkt. »Ich wollte Sie bitten herüberzukommen, Miss Gallagher. Ich möchte gern etwas mit Ihnen besprechen, und ich bin bis heute Mittag zu Hause.«
Jills Alarmglocken schrillten. Sie konnte sich nicht vorstellen, was er wollte. »Das würde ich sehr gern.«
Sie fürchtete sich zu fragen, was das alles sollte. Hatte er davon gehört, dass sie vergangenen Abend seine Frau in solche Aufregung versetzt hatte?
»Können Sie noch heute Morgen vorbeikommen?«, fragte Lord
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Collinsworth. »Sie wohnen in Kensington, nicht wahr? Wäre Ihnen elf Uhr angenehm?«
Jill sagte zu. Als sie nach oben sauste, um sich umzuziehen - ihr Frühstück hatte sie bereits vergessen
, klingelte das Telefon. Sie sah Alex vor sich, als sie abhob. »Hallo?«
»Jillian, geht’s dir gut?«, rief KC.
Jill presste den Hörer fester an ihr Ohr. »Alles in Ordnung. Stimmt was nicht, KC? Ist was mit Ezekial?« In New York war es jetzt mitten in der Nacht, aber KC schlief nicht viel. Jill konnte im Hintergrund den Fernseher hören.
»Ezekial amüsiert sich königlich damit, Chiron anzufauchen und dann aus seiner Reichweite zu flüchten.«
Jill lächelte erleichtert. Sie konnte sich vorstellen, wie Ezekial mit dem kleinen Hund spielte. Aber dann verpuffte ihre Erleichterung. »Deshalb hast du also nicht angerufen.«
»Du brauchst dringend einen Anrufbeantworter. Ich hab gestern und letzte Nacht schon x-mal versucht, dich zu erreichen.« KC klang sehr besorgt.
Jill spürte, wie die Angst in ihr hochkroch. Sie sagte sich, dass KC absolute Spitze darin
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