Katharina von Medici (German Edition)
würde solch ein Fanatiker bereits am Galgen hängen!« Am Abend, als Lecamus diese furchtbare Antwort von seinem Freunde Paré auf dem Estapeplatze übermittelt ward, kam der Alte halbtot nach Hause und ging in sein Gemach. Er weigerte sich, Nahrung zu sich zu nehmen.
Besorgt ging Tourillon zu ihm hinauf, fand den Greis in Tränen vor, und da die Greisenaugen des armen Kürschners das Innere der faltigen und geröteten Lider sehen ließen, meinte der Handschuhmacher, er weine Blut.
»Tröstet Euch, mein Vater,« sagte der Reformierte, »die Bürger von Orleans sind wütend, daß ihre Stadt behandelt wird, wie wenn man sie im Sturme genommen hätte. Herrn von Cypierres Soldaten müssen sie bewachen. Wenn des Prinzen von Condé Leben in Gefahr schwebte, würden wir den Saint-Aignanturm bald demoliert haben; denn unsere Stadt ist für die Reformation und wird sich auflehnen, seid dessen gewiß.«
»Würde mir, ach, wenn man die Lothringer aufknüpfte, ihr Tod meinen Sohn zurückgeben?« antwortete der trostlose Vater.
In diesem Moment klopfte man leise an Tourillons Tür. Er stieg hinunter, um selber zu öffnen. Es war finstere Nacht. In solch wirren Zeiten traf jedweder Hausherr peinlichste Vorsichtsmaßregeln. Tourillon spähte durch das an seiner Türe angebrachte Guckloch und sah einen Fremden, an dessen Tonfall er den Italiener erriet. Dieser schwarzgekleidete Mann verlangte in Handelsangelegenheiten mit Lecamus zu sprechen und Tourillon führte ihn hinauf. Angesichts dieses Fremden zitterte der Kürschner furchtbar; der Fremde aber hatte Zeit, einen Finger an seine Lippen zu legen. Diese Geste verstehend, sagte Lecamus dann zu ihm: »Ihr kommt zweifelsohne, um mir Pelze anzubieten?«
»Si. ...« antwortete der Fremde leise italienisch. Diese Persönlichkeit war niemand anders als der berühmte Ruggieri, der Astrolog der Königin-Mutter. Tourillon ging in seine Wohnung hinunter, da er begriff, daß er bei seinem Gaste im Wege war.
»Wo können wir miteinander plaudern, ohne befürchten zu müssen, daß man uns hört?« fragte der vorsichtige Florentiner.
»Da müßten wir auf freiem Felde sein,« antwortete Lecamus; »man wird uns aber nicht hinausgehen lassen; Ihr wißt, mit welcher Strenge die Tore bewacht werden. Ohne einen Paß von Herrn von Cypierre verläßt kein Mensch die Stadt, und wäre er auch wie ich Mitglied der Stände. Gleich morgen müssen wir uns auch alle in unserer Sitzung über diesen Freiheitsmangel beschweren.«
»Arbeitet wie ein Maulwurf, laßt aber niemals, bei was es auch sein möge, Eure Pfoten sehen«, sagte der listige Florentiner zu ihm. »Der morgige Tag wird zweifelsohne manches entscheiden. Nach meinen Beobachtungen werdet Ihr morgen oder später Euren Sohn vielleicht wiederhaben.«
»Daß Gott Euch hörte, Euch, der Ihr dafür bekannt seid, nur den Teufel um Rat zu fragen!«
»Kommt doch zu mir«, sagte der Astrolog lächelnd. »Um die Sterne zu beobachten, hab ich den Ehren Touchet von Beauvais gehörenden Turm eingeräumt bekommen; der ist der Balleiverweser, seine Tochter gefällt dem kleinen Herzog von Orleans so gut. Der Kleinen hab ich das Horoskop gestellt, und es erwies sich tatsächlich, daß sie eine große Dame und von einem Könige geliebt werden wird. Der Verweser ist ein Schöngeist, er liebt die Wissenschaften, und die Königin hat mich bei diesem Biedermanne unterbringen lassen, der, Karls des Neunten Herrschaft erwartend, so schlau ist, ein rasender Guisenfreund zu sein.«
Kürschner und Astrolog begaben sich, ohne gesehen zu werden, in Ehren von Beauvais' Hotel. Auch begegnete ihnen niemand. Im Falle aber, wo Lecamus Besuch entdeckt werden würde, wollte der Florentiner vorschützen, der Alte sei wegen einer astrologischen Konsultation über Christophs Los zu ihm gekommen. Als sie oben in dem Turme angelangt waren, wo der Astrolog seinen Arbeitsraum eingerichtet hatte, sagte Lecamus zu ihm:
»Mein Sohn ist also noch ganz gewiß am Leben?«
»Noch«, antwortete Ruggieri; »und es handelt sich darum, ihn zu retten. Bedenkt, Fellhändler, daß ich keine zwei Heller für Euer Leben gebe, wenn Euch jemals in Eurem ganzen Leben ein Wort von dem entschlüpft, was ich Euch sagen will.«
»Die Ermahnung ist zwecklos, mein Meister; seit dem seligen König Ludwig dem Zwölften bin ich Hoflieferant; und das hier ist die vierte Regierung, die ich erlebe.«
»Bald werdet Ihr die fünfte sagen«, antwortete Ruggieri.
»Was wißt Ihr von meinem Sohne?«
»Nun,
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