Katharina von Medici (German Edition)
gesehen. Wenn sie sich auch zum Kampfe formiert, wenn sie ihre Intelligenz bei dieser ersten Niederlage auch geübt hatte, so war ihre Lage doch, wiewohl unverändert, viel kritischer und viel gefährlicher als zur Zeit des Amboiser Tumultes geworden. Die Ereignisse waren ebenso wie das Weib ins Große gewachsen. Obwohl sie scheinbar in Übereinstimmung mit den lothringischen Fürsten vorwärtsschritt, hielt Katharina die Fäden einer klug angezettelten Verschwörung wider ihre schrecklichen Bundesgenossen in den Händen und wartete auf einen günstigen Moment, um die Maske vom Antlitz zu reißen. Eben war es dem Kardinal zur Gewißheit geworden, daß er von Katharina hintergangen worden war. Die geschickte Italienerin hatte in dem jüngeren Zweige des Königshauses ein Mittel gesehen, das sie den Prätentionen der Guisen entgegenstellen konnte; und trotz der Ansicht der beiden Gondi, die ihr rieten, die Guisen sich zu Gewalttätigkeiten gegen die Bourbons hinreißen zu lassen, hatte sie, indem sie die Königin von Navarra benachrichtigte, dafür gesorgt, daß der von den Guisen mit Spanien abgekartete Plan, sich des Béarn zu bemächtigen, scheiterte. Da dies Staatsgeheimnis nur den beiden lothringischen Fürsten und der Königin-Mutter bekannt war, wollten die, von der Doppelzüngigkeit ihrer Verbündeten überzeugt, sie nach Florenz zurückschicken. Gerade um sich von Katharinas Verrat dem Staate gegenüber – und das Haus Lothringen war der Staat – zu vergewissern, hatten der Herzog und der Kardinal ihr ihr Vorhaben, sich den König von Navarra vom Halse zu schaffen, anvertraut. Die sofort von Anton von Navarra getroffenen Vorsichtsmaßnahmen bewiesen den beiden Brüdern, daß dies nur ihnen dreien bekannte Geheimnis von der Königin-Mutter verraten worden war. Auf der Stelle warf der Kardinal von Lothringen der Königin-Mutter ihren Treubruch Franz dem Zweiten gegenüber vor und drohte ihr mit einem Verbannungsbefehl, falls neue Indiskretionen den Staat in Gefahr brächten. Katharina sah sich nun in äußerster Gefahr und mußte wie ein großer König handeln. Auch lieferte sie sofort einen Beweis ihrer hohen geistigen Fähigkeiten; doch muß man zugeben, daß sie von ihren guten Freunden auch sehr gut bedient ward. L'Hôpital ließ der Königin ein folgendermaßen abgefaßtes Billett zukommen:
»Lasset keinen Prinzen von Geblüt durch eine Kommission zum Tode verurteilen, sonst würde es Euch bald ähnlich ergehen.«
Katharina sandte Birago nach Vignay, um dem Kanzler sagen zu lassen, er solle, trotzdem er in Ungnade sei, zu den Ständen kommen. Birago traf in dieser nämlichen Nacht drei Meilen vor Orleans mit L'Hôpital zusammen, der sich für die Königin-Mutter erklärte. Chiverni, dessen Treue damals mit gutem Rechte von den Herren von Guise beargwöhnt wurde, hatte sich aus Orleans gerettet und nach einem Marsche, der ihn fast das Leben kostete, in zehn Stunden Ecouen erreicht. Er meldete dem Kronfeldherrn, in welcher Gefahr sein Neffe, der Prinz von Conde, schwebte und wie kühn die Lothringer geworden wären.
Anne von Montmorency schäumte vor Wut, als er erfuhr, daß der Prinz nur dem plötzlichen Auftreten des Leidens, woran Franz der Zweite starb, sein Leben verdanke, und langte mit fünfzehnhundert Reitern und hundert Edelleuten an. Um die Herren von Guise noch mehr zu überraschen, hatte er um Paris einen Bogen gemacht, indem er von Ecouen nach Corbeil und von Corbeil durch das Essonnetal nach Pithiviers zog.
»Hauptmann wider Hauptmann, da werden die Fetzen fliegen«, sagte er anläßlich dieses kühnen Marsches.
Anne von Montmorency, welcher Frankreich bei Karls des Fünften Einfall in die Provence gerettet, und der Herzog von Guise, welcher des Kaisers zweiten Einfall bei Metz aufgehalten hatte, waren tatsächlich Frankreichs größte Kriegsmänner zu jener Epoche. Eben diesen Moment hatte Katharina abgewartet, um den Haß des durch die Lothringer in Ungnade gefallenen Kronfeldherrn wieder neu zu entflammen. Nichtsdestoweniger sprang der Marquis von Simeuse, Kommandant von Gien, als er von der Ankunft eines so stattlichen Korps, wie es das des Konnetabels war, hörte, auf sein Pferd, da er hoffte, den Herzog noch zur rechten Zeit benachrichtigen zu können. In der Gewißheit, daß der Kronfeldherr seinem Neffen zu Hilfe kommen würde, und voller Vertrauen auf die Ergebenheit des Kanzlers für die königliche Sache, hatte die Königin-Mutter die Hoffnungen und den Mut der reformierten
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