Katharina von Medici (German Edition)
Partei neubelebt. Die Coligny und die Freunde des bedrohten Hauses Bourbon hatten mit der Königin-Mutter Parteigängern gemeinsame Sache gemacht. Eine Koalition zwischen den entgegengesetzten Interessen, die von einem gemeinsamen Feinde angegriffen wurden, bildete sich stillschweigend inmitten der Stände, wo laut davon die Rede war, Katharina zur Reichsregentin zu ernennen, falls Franz der Zweite sterben sollte. Katharina, deren Glaube an die Astrologie größer war als der an die Kirche, hatte alles wider ihre Bedränger gewagt, als sie ihren Sohn zu dem Termine im Sterben liegen sah, der ihr von der berühmten Zauberin angegeben worden war, welche ihr Nostradamus ins Schloß zu Chaumont gebracht. Einige Tage vor dem schrecklichen Ausgange seiner Herrschaft, hatte Franz der Zweite an der Loire lustwandeln wollen, um nicht in der Stadt zu weilen, wenn der Prinz von Condé hingerichtet werden würde. Nachdem er dem Kardinal von Lothringen des Prinzen Haupt überlassen hatte, fürchtete er einen Aufstand ebensosehr wie der Prinzessin von Condé Flehensbitten. Im Augenblicke des Einschiffens verursachte ihm einer jener frischen Winde, die bei Winters Nahen an der Loire sich bemerkbar machen, ein so schmerzliches Ohrenweh, daß er sich genötigt sah, in die Stadt zurückzukehren. Er legte sich ins Bett, das er nur als Toter verlassen sollte. Trotz der Kontroverse der Ärzte, die außer Chapelain seine Feinde und Widersacher waren, behauptete Paré, daß in des Königs Haupte sich Eiter angesammelt habe; wenn man dem keinen Ausfluß verschaffe, würde man immer mehr mit des Königs Ableben rechnen müssen.
Trotz der vorgerückten Stunde und des Lichtverbots, welches in Orleans, das sich damals wirklich wie im Belagerungszustände befand, streng durchgeführt ward, glänzte Parés Lampe an seinem Fenster. Er studierte. Lecamus rief hinauf, und als er seinen Namen genannt hatte, befahl der Chirurg, man sollte seinem alten Freunde öffnen.
»Du gönnst dir keine Ruhe, Ambrosius, und anderen das Leben schenkend, verschwendest du deins«, sagte der Kürschner beim Eintreten.
Tatsächlich sah er den Chirurgen vor seinen aufgeschlagenen Büchern sitzen. Seine Instrumente lagen umher. Vor ihm lag ein frisch ausgescharrter Totenkopf, der vom Friedhof gestohlen worden war; er hatte ein Loch.
»Es handelt sich darum den König zu retten ...«
»Bist du deiner Sache denn so gewiß, Ambrosius?« rief bebend der Greis.
»Wie meines Daseins. Der König, mein alter Beschützer, hat schlechte Säfte, die auf sein Hirn drücken und hineinfließen wollen. Die Krise steht bevor. Wenn ich seinen Schädel aber aufmeißle, rechne ich damit, daß die Säfte abfließen; dann wird sein Kopf wieder frei. Diese von einem Piemontesen erfundene Operation hab' ich schon dreimal ausgeführt und konnte sie glücklicherweise noch sehr vervollkommnen.
Die erste hab' ich bei der Metzer Belagerung an Herrn von Piennes vorgenommen. Den habe ich gerettet und er ist seitdem nur klüger dadurch geworden: er hatte eine Eiteransammlung, die durch einen Arquebusenschuß im Kopf hervorgerufen worden war. Die zweite hat einem Armen das Leben gerettet, an welchem ich gerne die Güte dieser kühnen Operation, zu der sich Herr von Piennes hergegeben hatte, erproben wollte. Die dritte endlich fand in Paris an einem Edelmanne statt, dem es prächtig geht. Die Trepanation – diesen Namen hat man der Erfindung gegeben – ist noch wenig bekannt. Der Unvollkommenheit der Instrumente wegen, die ich schließlich aber zu verbessern wußte, schrecken die Kranken davor zurück. Ich versuche mich daher an diesem Kopfe, um mich morgen an dem des Königs nicht zu versehen.«
»Du mußt deines Tuns ja sehr sicher sein, denn dein Kopf geriete in Gefahr, falls ...«
»Ich möchte mein Leben wetten, daß er geheilt wird«, antwortete Ambrosius mit der Sorglosigkeit des genialen Menschen. »Ach, mein alter Freund, was ist denn dabei, wenn man einen Kopf mit aller Vorsicht öffnet? Die Soldaten im Kriege tun das doch tagtäglich ohne irgendwelche Vorsicht!«
»Mein Kind,« sagte der kühne Bürger, »weißt du, daß den König retten soviel heißt wie Frankreich zugrunde richten? Weißt du, daß dies Instrument die Krone der Valois auf des Lothringers Haupt setzen wird, der sich Karls des Großen Erben nennt? Weißt du, daß Chirurgie und Politik in diesem Momente sich feindlich gegenüber stehen? Ja, der Triumph des Genies ist deiner Religion Verderben. Wenn die Guisen die
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