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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Kurven wurden sie von einem Schlagbaum aufgehalten. Das runde Schild, das daran befestigt war, zeigte den Kometenmenschen, das Logo des Instituts. Die beiden Gleiter, die sie bis hierher eskortiert hatten, wendeten nun und traten den Rückweg an.
    Ein bewaffneter Posten sprang herbei. Er wusste offenbar Bescheid. Mit einer Geste des Bedauerns wegen der Verzögerung, die er verursacht hatte, hob er den Schlagbaum. Nun war es nicht mehr weit. Nach einer Straßenbiegung kam das Schloss in Sicht. Der Weg führte daran vorbei zur flussabgewandten Seite des Anwesens. In einem weiträumigen Park mit schattenspendenden Eichen kamen sie zum Stehen. Sie wurden bereits erwartet. Ein hoch aufgeschossener Mann mit Hakennase, die seinem Gesicht etwas Vogelähnliches verlieh, stakste auf sie zu. Seine Augen verstärkten diesen Eindruck. Sie wanderten unstet umher und warfen Blicke wie Nadelstiche. Begleitet wurde er von einer Frau in lindgrünem Kostüm, die, abgesehen von dieser Farbe, völlig farblos wirkte. Sie war weder dick noch dünn, weder groß noch klein, weder besonders hübsch noch auffallend hässlich. Es gab nichts an ihr, woran sich das Gedächtnis hätte festhalten können, mit Ausnahme des erwähnten Lindgrüns.
    In einem grauen Kleid wäre sie unsichtbar , dachte Sando belustigt. Im Vergleich zu ihr war ihr hakennasiger Begleiter mit dem stechenden Blick ein Ausbund eigenständiger Persönlichkeit.
    „Herzlich willkommen im Institut für Retaminforschung“, begrüßte er sie mit einer Freundlichkeit, die im angenehmen Gegensatz zu seiner Erscheinung stand. Er deutete eine leichte Verbeugung an. „Professor Gellert, Institutsleiter. Dies ist meine rechte Hand, Frau Doktor Hellbrink. Falls Sie Fragen haben, dann kann sie genauso gut Auskunft über die Forschungsarbeiten geben wie ich.“
    Frau Lindgrün, wie sie Sando für sich getauft hatte, vollführte einen bescheidenen Augenaufschlag. „Fast genauso gut, Herr Professor“, wehrte sie ab, wobei sie das „fast“ artig betonte.
    „Na, stellen Sie Ihr Licht mal nicht so unter den Scheffel, Frau Doktor Hellbrink. Was würde ich ohne Sie anfangen?!“
    Jetzt erweiterte sich ihr Farbspektrum um ein Rot, das ihr ins Gesicht schoss.
    Richtig lebendig sieht sie jetzt aus , dachte Sando.
    Professor Gellert bat die Gefährten, ihm ins Schloss zu folgen. Da die vier in dem streng bewachten Terrain kaum abhanden kommen konnten, blieben Meyer und Grieseke zurück und machten es sich im Gleiter gemütlich.
    Sando, Ben, Gregor und Nabil betraten gemeinsam mit den beiden Retaminforschern das Schloss durch das Eingangsportal aus massivem Eichenholz. Ein Wachmann hielt es geöffnet. Er gehörte offenbar in die verwaiste Glaskanzel, die das Foyer dominierte und von der aus eine automatische Kamera den Weg der Vorübergehenden verfolgte. Ihre Schritte hallten durch hell erleuchtete Gänge, die zu Zeiten des Schlossbaues einmal düster gewesen sein mochten. Die weißen Wände waren behangen mit schematischen Darstellungen wissenschaftlicher Sachverhalte, sodass bei den Gästen keinen Augenblick lang das Gefühl aufkam, durch ein verwunschenes Schloss zu wandeln. Türen, die ehemals aus massivem Holz gewesen sein mochten, bestanden sämtlich aus Glas. Sie boten im Vorbeigehen einen flüchtigen Blick in aufwendig ausgestattete Laborräume, in denen weiß bekittelte Forscher nach dem Geheimnis des Retamins fahndeten.
    „Sie können sich nicht vorstellen, was dieser Tag für mich bedeutet!“, sagte Professor Gellert und blitzte seine Gäste mit den Augen an. „Wir hatten schon die Hoffnung aufgegeben, je wieder an die Forschungsergebnisse zu kommen.“
    Seine Assistentin pflichtete ihm umgehend bei: „In der Tat, ich kann es kaum noch erwarten, das Material in den Händen zu halten!“
    Der Professor steuerte auf eine Tür am Ende des Ganges zu. Sie bestand aus Eichenholz wie das Eingangsportal. Ein Schild wies darauf hin, dass dahinter das Büro des stellvertretenden Institutsleiters lag. „Bitte treten Sie ein.“
    Das Büro war nüchtern wie die Gänge, durch die sie gekommen waren: Bücherregale an den Wänden, auf dem Schreibtisch eine Tastatur und ein großflächiger Monitor. Sie nahmen Platz an einem Tischchen, das für kleine Besprechungen gedacht war. Eine Thermoskanne und Tassen standen bereit.
    „Darf ich Ihnen allen einen Kaffee anbieten?“, fragte Doktor Hellbrink freundlich.
    Sando, dem nicht nach Kaffee zumute war, bat um eine Tasse Kakao, nicht ahnend, was er

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