Katharsia (German Edition)
Professor Strondheim verschwunden ist, sitzen wir auf einem Berg wertvoller Daten und können nichts damit anfangen.“
„Und es gab nur diesen einen Key?“
„Nein, es gab mehrere, aber die anderen hat Professor Strondheim vor seinem Verschwinden unbrauchbar gemacht.“ Sein Gesicht nahm Züge tiefer Verachtung an. „Dieser hier ist unsere letzte Chance.“
Professor Gellert drückte einen Knopf auf seinem Computer. Eine kleine Klappe öffnete sich und eine schmale Zunge mit einer runden Vertiefung fuhr heraus. Dort hinein legte er den Hühnergott, der augenblicklich verschluckt wurde.
„So, Sando – und jetzt kommt der spannende Moment, den wir schon so lange ersehnt haben.“
Mit dem, was Sando nun auf dem Bildschirm sah, konnte er nichts anfangen. Eine endlose Liste von Dateinamen füllte den Monitor. Doch der Professor brach in Jubel aus. Er umarmte Sando, vielleicht aus Dankbarkeit dem Finder gegenüber, vielleicht aber auch nur, weil der Junge ihm am nächsten stand. Dann drückte er Frau Lindgrün an seine Brust, die vor Glück quietschte wie ein Meerschweinchen. In seiner Begeisterung zerrte der Professor Sando wieder zum Monitor.
„Das Ding ist nicht nur ein Schlüssel, mit dem wir die Speicher des Instituts öffnen können. Hier sieh mal, der Key ist selbst ein Speicher!“
Sando sah nun ein Symbol des Hühnergottes auf dem Schirm. Der Professor fuhr mit einem Cursor darüber und klickte es an.
„Ich bin gespannt, was Professor Strondheim darauf abgelegt hat. Es dürften Forschungsergebnisse darunter sein, die nur er kennt, die uns der Retaminproduktion vielleicht ein Stückchen näher bringen.“
Das Verzeichnis, das sich nun öffnete, zog den Professor in seinen Bann. Er schien vergessen zu haben, dass sich Gäste in seinem Büro befanden. Er klickte sich durch verschiedene Unterlagen, starrte gebannt auf den Monitor und murmelte manchmal etwas vor sich hin. Sando hörte einzelne Worte wie „unglaublich“, „saubere Lösung“ oder „verblüffend einfach“ heraus. Frau Doktor Hellbrink wurde unruhig. Sie räusperte sich, lächelte Sando, Ben, Gregor und Nabil abwechselnd zu.
„Herr Professor?!“, raunte sie leise, aus Furcht, ihn zu stören, und dennoch hoffend, dass er auf sie aufmerksam wurde.
Vergebens. Die Situation zog sich hin, bis den Professor selbst das Mitteilungsbedürfnis übermannte.
„Helga, komm doch mal!“, rief er bleich, die Hakennase in Richtung Monitor gedreht. „Es sieht so aus … also … ich fasse es nicht! Strondheim hatte die Lösung! Helga!“
Er blickte auf. Stutzte angesichts der Gäste.
„Ach, Sie sind noch hier? Warum hast du nichts gesagt, Helga … äh … Doktor Hellbrink?“
„Herr Professor, ich habe es versucht, aber Sie waren so beschäftigt.“
„Na ja, es ist ein unglaublich interessantes Material.“ Seine Nase drehte sich wieder zum Monitor und machte Anstalten, sich dort festzuhaken.
„Ich glaube, wir sollten unsere Gäste jetzt verabschieden“, mahnte Frau Lindgrün nun etwas nachdrücklicher.
„Ja, natürlich … Ich bitte um Entschuldigung. Also vielen Dank noch einmal, meine Herrschaften. Dieser Key hat es wirklich in sich. Doktor Hellbrink, seien Sie bitte so gut und geleiten Sie die Gäste hinaus.“
Seiner Absicht, sich wieder in die Unterlagen zu vertiefen, kam Nabil zuvor. „Herr Professor, noch eine Frage!“, sagte er mit seiner dröhnenden Stimme.
Professor Gellert, der offenbar nur den sanften Ton seiner Assistentin ertrug, fuhr zusammen. „Wie bitte? Ach ja … selbstverständlich. Eine Frage. Ich bitte darum.“
„Dieser Hühnergott … äh, Key … Sie sagten, er hätte zwei Funktionen: Er sei ein Schlüssel und gleichzeitig auch ein Speicher.“
„Völlig richtig. Sie haben es erfasst. Das sagte ich aber bereits.“ Der Professor hatte sichtlich Mühe, zu verbergen, dass ihn jetzt etwas ganz anderes interessierte, als Fragen von blutigen Laien zu beantworten. Zumal sie in einer Lautstärke gestellt wurden, die er nur schwer ertrug.
„Und was ist mit dem Retamin?“, fragte Nabil.
Der schlaksige Körper des Professors krümmte sich hinter seinem Schreibtisch.
„Was meinen Sie damit? Ich verstehe Sie nicht.“
„Ihr Key hat noch eine Funktion. Er produziert Retamin“, sagte Nabil geradezu.
Diese Mitteilung verschlug dem Professor für einen Moment die Sprache. Seine Augen wanderten unstet von einem Gast zum anderen, als wollten sie ergründen, was da noch für Überraschungen
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