Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
Vom Netzwerk:
Menschenmasse, die sich rund um das Kulturzentrum scharte. Hin und wieder tauchte ein Schild auf, das einen Kurswechsel vom Präsidenten forderte.
    „Nieder mit dem Retamin-Diktat!“ , stand da zu lesen. Oder: „Kein Retamin für Neuankömmlinge!“
    Sando wurde es mulmig im Magen. „Was wollen die Leute hier? Gegen die Sendung demonstrieren?“
    „Keine Bange!“, beruhigte ihn einer der Schutzengel. „Es sind in der Mehrheit Neugierige und Vitelli-Fans. Natürlich mischen sich auch immer einige darunter, die die Gelegenheit nutzen, um ihren Unmut zu äußern.“
    „Sollen sie doch, solange sie friedlich bleiben …“, brummte Nabil.
    „Was machen wir eigentlich mit dem Hühnergott?“, fragte Sando unvermittelt.
    Nabil schaute ihn zweifelnd an. „Wieso? Der ist doch im Institut.“
    „Ich meine, dürfen wir in der Sendung sagen, dass wir ihn gefunden haben?“
    „Du meinst, wegen des Ruhmes?“, fragte Gregor mit einem raschen Seitenblick auf Ben.
    „Was heißt hier Ruhm?“ Sandos Gesicht färbte sich rot.
    Ben lächelte still vor sich hin.
    „Was ist los?“, brauste Sando auf. „Was gibt’s da zu lachen?“
    Gregor hob beschwichtigend die Hände.
    „Keine Aufregung, Sando, wir dürfen! Die Gefahrenabwehr hat ihren Segen gegeben.“
    „Weiß Vitelli davon?“
    Seine Gefährten sahen ihn triumphierend an und Nabil sagte: „Der weiß von nichts. Er ist völlig ahnungslos.“
    Sie passierten den schwer bewachten Sicherheitszaun, der die Menge auf Abstand hielt von dem Gebäude, in dem die Sendung stattfand. Für die paar Meter, die sie nun zügig und ohne Behinderung zurücklegen konnten, beschleunigte ihr Fahrzeug noch einmal. Dann waren sie am Eingang angelangt.
    Vitelli empfing sie persönlich. Er eilte ihnen auf der Eingangstreppe entgegen und rief: „Willkommen in diesem etwas lädierten Haus!“ Er wies auf Brandflecken an den Wänden und zersplitterte Glasflächen, die notdürftig mit Brettern gesichert worden waren. „Zum Glück hat das provisorische Studio kaum etwas abbekommen.“
    Er führte sie in einen großen Saal. Techniker waren gerade dabei, Scheinwerfer auf ein gläsernes Podest zu richten, das die Mitte des Parketts einnahm. Rot gepolsterte Sessel standen im Kreis gruppiert darauf. Rund um das Podest schoben drei mit Kopfhörern bewaffnete Kameraleute ihre schweren Studiokameras in Position. Sando entdeckte eine vierte Kamera am Ende eines weit ausladenden Kranarmes, der eben in die Höhe fuhr und dicht unter der Saaldecke stoppte. Über den Zuschauerrängen hingen riesige Bildschirme. Sie zeigten das Bild der Sesselgruppe, die noch verwaist auf dem Podest stand.
    Sandos Herz klopfte vor Lampenfieber. Dort würden sie bald sitzen, der Saal voller Leute, und sie würden Vitelli Rede und Antwort stehen und ihm eine gehörige Überraschung präsentieren. Doch zunächst führte sie der Moderator in einen Gang, der hinter dem Studio lag. Von dort gingen verschiedene Räume ab: Garderoben, Regieräume, die vollgestopft waren mit Technik, ein Raum voller Spiegel für die Maskenbildnerinnen. In Letzterem wurden sie bereits erwartet.
    „Bitte setzen Sie sich und lassen Sie sich verwöhnen“, sagte Vitelli schmunzelnd. „Ich hole Sie wieder hier ab.“
    Er verschwand und eine rothaarige, sorgfältig geschminkte Frau mittleren Alters nahm sich ihrer an. „Bitte suchen Sie sich einen Spiegel aus“, forderte sie die Gefährten freundlich auf. „Es ist für jeden einer da. Ich bin zwar allein hier, aber keine Bange, das bisschen Make-up schaffe ich schon. Wir wollen ja keinen Spielfilm drehen, nicht wahr?“
    Die Rothaarige arbeitete mit flinken Händen. Bald sah Sandos glattes Jungengesicht noch glatter aus als zuvor. Auch seine Gefährten wirkten wie renoviert. Vitelli tauchte wieder auf. Über ihr Aussehen verlor er kein Wort. Menschen in Maske und Puder gehörten für ihn zum Alltagsgeschäft.
    „Also, es geht in die heiße Phase, meine Herrschaften! Das Publikum ist bereits im Studio. Und keine Angst, die Kameras beißen nicht. Erzählen Sie frei von der Leber weg.“
    „Das ist leicht gesagt …“, knurrte Nabil, dem der Schweiß jetzt schon auf der Stirn stand. Er hob die Hand, um ihn wegzuwischen, doch ein Aufschrei der Maskenbildnerin hielt ihn davon ab. Sie sprang herbei und tupfte ihm vorsichtig das Gesicht ab.
    Auch von dieser Szene nahm Vitelli keine Notiz.
    „Sie haben Recht, es ist leicht gesagt“, versuchte er, Nabils Aufregung zu dämpfen. „Aber ich bin mir

Weitere Kostenlose Bücher