Katharsia (German Edition)
aufmunternd an und der begann, seine Geschichte von Verfolgung und Flucht zu erzählen. Von den Machenschaften des KORE und den verzweifelten Versuchen der Gefährten, sich zu wehren.
Atemlos lauschte das Publikum. Manchmal ließ es ein Raunen hören.
Als er vom Absturz des Helikopters berichtete, fragte Vitelli: „Wohin wollten euch die KORE-Leute mit dem Hubschrauber bringen?“
„Zur Festung Makala.“
„Meine Damen und Herren“, wandte sich Vitelli nun ans Publikum, „wir waren neugierig auf diese Festung und haben versucht, sie ausfindig zu machen.“
Auf den Monitoren erschien ein Filmeinspiel. Ein Reporter fragte Menschen in Makala nach der besagten Festung. Als das nichts brachte, versuchte er es bei verschiedenen Behörden. Doch selbst im Hochhaus der Gefahrenabwehr konnte er nichts in Erfahrung bringen.
Nach Ablauf des Filmes kommentierte Vitelli: „Meine Damen und Herren, unser Reporter konnte eine Festung Makala nicht finden. Damit drängt sich die Frage auf, ob das KORE geheime Stützpunkte unterhält. Eine beunruhigende Vorstellung, meine Damen und Herren. Ich frage mich, hat der Präsident diese Einheit noch unter Kontrolle?“
Im Saal herrschte betroffenes Schweigen. Vitelli ließ es einen Moment lang wirken, dann stellte er Ben vor.
„Ben Hakim, meine Damen und Herren, ist äußerlich so jung wie Sando. Aber er lebt schon seit Jahrhunderten in Katharsia.“
Er warf einen kurzen Blick auf ein Kärtchen, auf dem er sich einige Stichpunkte notiert hatte.
„Herr Hakim, Sie sind Mitglied der Einwanderungskommission in Makala und haben versucht, Erkundigungen über den Fall einzuziehen. Sie hatten damals bereits Battoni im Visier. Was war die Folge?“
Ben antwortete ohne Scheu, als wäre er Stammgast in solchen Fernsehsendungen. „Drastisch ausgedrückt: Ich bin vom Balkon eines Hochhauses gefallen. Nicht freiwillig natürlich … Battoni war in der Nähe, aber ich werde mich hüten, unbewiesene Behauptungen aufzustellen.“
„Kommen wir auf Ihre Seele zu sprechen, Herr Hakim. Nach dem tödlichen Sturz waren Sie als Seele gemeinsam mit Ihren Gefährten auf der Flucht. Wie haben Sie sich in dieser Zeit verständigen können?“
Ben sagte schlicht: „Ich habe mit Sando gesprochen.“
Im Saal erhob sich ein Raunen.
„Und du hast die Worte der Seele verstanden, Sando?“
„Ja, ich habe sie verstanden.“
Das Raunen verstärkte sich zu einem aufgeregten Durcheinander, in dem das Wort „Auvisor“ immer wieder durchklang. Vitelli hatte Mühe, das Publikum wieder zu beruhigen. „Ein denkwürdiger Moment, meine Damen und Herren!“, rief er. „Ihre Begeisterung ist verständlich, aber lassen Sie uns mit der Sendung fortfahren!“
Doch niemand hörte auf ihn. Ein paar der Zuschauer erhoben sich applaudierend. Alle anderen im Saal folgten deren Beispiel. Sando fiel es schwer, zu begreifen, dass der Beifall ihm galt. Mit großen Augen blickte er in die Reihen begeisterter Menschen und wusste nicht, was er tun sollte. Unwillkürlich stand er auf und applaudierte ebenfalls.
Unsinn , dachte er dann. Ich kann mich doch nicht selbst beklatschen! Seine Hände blieben in der Luft hängen. Sie glänzten vor Schweiß. Verwirrt wischte er sie an seiner Hose ab. Er spürte, wie ihn jemand anstieß.
Ben stand hinter ihm und raunte: „Sie mal dort … die Frau!“
Sando wusste sofort, wen Ben meinte. In der ersten Reihe saß eine Frau mit auffallend rotem Haar. Sie hatte sich nicht wie die anderen erhoben und beteiligte sich auch nicht am Beifall. Ihr Blick war in sich gekehrt. Sie wirkte wie abwesend. Sando hatte sich die Fotos der geheimen Beerdigung oft genug angeschaut, um sie sofort wiederzuerkennen. Es war Pia Kramer, die Mutter eines der toten Helikopterpiloten.
Was will sie hier , fragte sich Sando.
Vitelli köderte eben das Publikum mit der Ankündigung: „Meine Damen und Herren, bitte setzen Sie sich wieder! Ich verspreche Ihnen, das war nicht die letzte Überraschung heute.“
Langsam kehrte Ruhe ein.
Der Moderator zückte wieder seine Karteikarten und stellte Nabil und Gregor vor. Die beiden berichteten, wie sie in den Strudel der Ereignisse geraten waren, und kamen dann auf die gemeinsame Flucht nach Paris zu sprechen.
„Wir dachten, dort wären wir sicherer“, erklärte Gregor. „Das KORE erschien uns durch die Battoni-Affäre wie gelähmt. Doch wir hatten uns getäuscht. Wir wurden in Paris bereits von den KORE-Leuten erwartet. Und es war großes Glück, dass wir das
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