Katharsia (German Edition)
aus. Klar, dass die Enttäuschung groß ist.“
Sando griff nach der Thermoskanne auf dem Tablett. „Was hast du mir denn da mitgebracht? Doch nicht etwa Kaffee?“
Nabil feixte. „Keine Bange. Er ist nicht stark.“
„Gibt es denn hier keinen Kakao? Oder Orangensaft?“
„Nee, nur Leitungswasser.“
Sando verschüttete vor Lachen beinahe den Kaffee, der in seiner Tasse dampfte. Vorsichtig schlürfte er einen Schluck.
„Wie kommen diese Gotteskrieger überhaupt nach Katharsia?“, nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. „Wenn sie Menschen getötet haben, müssten sie doch im Hades sein …“
„So ist es auch. Bei den ,Kriegern des wahren Paradieses‘ kann es sich nur um die Kämpfer handeln, denen es auf der Erde nicht gelungen ist, andere mit in den Tod zu reißen.“
„Die Versager also“, warf Sando ein. „Ich meine, aus ihrer Sicht …“
„Du sagst es.“
Nabil schnaufte appetitgeplagt und schnappte sich schließlich einen Käsewürfel.
„Und es sieht so aus, als würden religiöse Führer sie dazu drängen, ihr Versagen hier im gottlosen Katharsia wieder auszubügeln.“
„Aber was haben sie gegen Jamal al Dins Vergnügungspark?“
„Ganz einfach: Dieses oberflächliche Vergnügen ist für sie Gotteslästerung.“
Sando stellte das leere Geschirr wieder aufs Tablett. Eigentlich interessierte ihn etwas anderes. „War das alles, was Massef berichtet hat?“
Seine Augen sprachen Bände.
Nabil verstand, atmete tief durch. Die Frage nach Maria hatte er längst erwartet.
„Massef hat sie gesehen. Und ein Foto von ihr gemacht.“
Er zog es hervor und legte es behutsam auf den Tisch neben das Tablett.
„Aber bitte … sei nicht enttäuscht“, brummte er.
Hastig griff Sando danach. Was er sah, versetzte ihm einen Stich: Maria stand Arm in Arm mit einem schwarzhaarigen, aufgeschossenen Mann und schaute ihn verliebt an. Fast frivol hing sie ihm am Hals.
„Das ist Jamal al Din, der Bauherr des Vergnügungsparks“, sagte Nabil.
Sando warf das Foto mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch. Er ertrug es nicht, Maria so zu sehen.
„Es stammt von einer Pressekonferenz nach der Explosion“, erklärte Nabil. „Der saubere Herr Jamal al Din wollte demonstrieren, dass er sich von Verbrechern nicht einschüchtern lässt.“
„Es scheint ihr gut zu gehen.“
Sando kam mit seinen Gefühlen nicht klar. Bisher hatte er geglaubt, Maria brauche seine Hilfe. Er wähnte sie in den Klauen eines Mannes, der alles tat, sie mit Gewalt gefügig zu machen. Das Foto passte nicht dazu. Es zeigte ein verliebtes Paar. Vielleicht sollte er Maria doch in Ruhe lassen? Vielleicht war sie glücklich mit ihrem anderen Ich und es wäre egoistisch von ihm, daran zu rühren? Andererseits fühlte er sich verletzt. Sie schien ihn vergessen zu haben, ihn, der so viel für sie empfand, der bereit war, alles für sie zu opfern. Sollte Mike Lemming doch Recht gehabt haben mit seiner Behauptung, Maria wäre scharf auf jeden Mann?
Er erschrak vor sich selbst über diesen Gedanken, darüber, dass ihn seine verletzten Gefühle so böse machen konnten, dass sie ihn hinabstießen in die gedanklichen Niederungen eines Mike Lemming. Er strich sich mit dem Finger über die Augenbraue und bemerkte, dass Nabil ihn stumm beobachtete.
„Wäre es dir lieber, es ginge ihr schlecht?“, fragte er.
Sando seufzte. „Wenn ich ehrlich sein soll … ja.“ Er zeigte auf das Foto, das mit der weißen Seite nach oben auf dem Tisch lag. „Wenn sie glücklich ist mit ihm … ist alles … so sinnlos …“
Sando ließ Kopf und Schultern hängen. Er fühlte sich wie ausgelaugt. Entsetzliche Dinge hatte er seit seiner Ankunft in Katharsia durchgestanden und immer hatte er die Kraft gefunden, wieder aufzustehen. Doch angesichts dieses Fotos zog es ihm den Boden unter den Füßen weg.
Nabil versuchte, Sando aufzumuntern. „Es ist nur ein Foto, Sando! Wer weiß, was wirklich dahintersteckt …“
Doch Sando winkte ab und verkroch sich in seinem Bett. Er wollte nur noch allein sein.
Einige Stunden später war es an der Zeit, zur Sendung aufzubrechen. Mit einem Bohren im Herzen setzte sich Sando zu seinen Gefährten ins Fahrzeug, das sie zum Kulturzentrum bringen sollte. Zwar hätten sie die Strecke bequem laufen können, doch es herrschte Sicherheitsstufe Rot. Die Lage war offenbar so prekär, dass man ihnen kein Schwebemobil, sondern ein gepanzertes Radfahrzeug geschickt hatte. Damit kämpften sie sich nun langsam durch die
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