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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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dich haben. Und dann wäre jemand an deiner Seite.“
    Sando hörte dies mit Dankbarkeit.
    „Gern, Gregor“, sagte er. „Aber Präsident Wanderer muss zustimmen.“
    „Kein Problem! Wir rufen ihn an. Für uns ist er sicher zu sprechen.“ Sie verließen die Tafel und bedankten sich freundlich bei Kazim, der herbeigeeilt war, um die leeren Schälchen abzuräumen.
    „Wie ich sehe, hat es den Herren zugesagt.“
    „Ja, sehr!“, kam es wie aus einem Munde.
    Daraufhin lachten sie und freuten sich über Kazims Gesicht, das Zufriedenheit ausstrahlte.
    Gemeinsam gingen sie in Sandos Zimmer. Von dort aus wollten sie versuchen, Präsident Wanderer zu erreichen. Doch so oft sie die Nummer auch wählten, es meldete sich niemand.
    Es war spät, als sie sich voneinander verabschiedeten.

DAS GESPRÄCH
    Im Zimmer war es dunkel. Nur die Lampe am Pult des Flügels brannte. Ihr Schein erhellte Sandos Gesicht, aus dem volle Konzentration sprach. „Chopin“ stand in großen, verzierten Lettern auf den Noten, die vor ihm lagen. Er spielte mit klopfendem Herzen. Der Klang des Flügels berauschte ihn. Nie zuvor hatte er ein solches Instrument unter den Fingern gehabt. Dazu die Komposition, die ihn aufwühlte, Erinnerungen weckte. Er meinte, Maria neben sich zu spüren, ihre leisen Hinweise zu hören. Seine Finger flogen über die Tasten. Kleine Flüchtigkeiten schlichen sich ein. „Langsamer!“, sagte Maria. Er zwang sich, das Tempo zu drosseln. Sein Spiel gewann an Intensität.
    Er schnaufte, beseelt von der Musik, in die sich nun ein fremder Klang mischte. Es brauchte einige Zeit, bis Sando begriff, dass das Telefon läutete.
    Abrupt brach die Musik ab.
    „Hallo, hier Sando Wendelin.“
    Am anderen Ende ein knackendes Geräusch, dann eine Stimme. „Wanderer. Guten Tag, Sando. Du hast versucht, mich zu erreichen?“
    „Herr Wanderer! Danke, dass Sie zurückrufen.“
    „Entschuldige, Sando. Normalerweise bin ich unter der Nummer, die ich dir gegeben habe, immer erreichbar, aber heute ging es hier drunter und drüber. Das KORE macht Probleme. Es häufen sich Meldungen über Bombendrohungen. Eine Krisensitzung jagt die nächste. Aber ich will dich nicht weiter damit belästigen. Wie geht es dir nach deinem ersten Tag im Hades?“
    Trotz dieser Sorgen nimmt er sich Zeit für mich , dachte Sando und redete unwillkürlich seine Ängste klein.
    „Ach, ich fühle mich ganz gut“, sagte er leichthin. „Natürlich ist es kein Zuckerschlecken im Hades, aber ich kriege das schon hin.“
    „Schön, das zu hören. Ich hatte auch keinen Zweifel daran, dass dich Doktor Fasin dort gut einführen würde. Warum wolltest du mich sprechen? Gibt es erste Erkenntnisse? Eine Spur von Wolfenhagen?“
    Sando zögerte. Sollte er gleich mit der Tür ins Haus fallen und um Begleitung durch Gregor und Nabil bitten? Das würde dem widersprechen, was er eben gesagt hatte. Er würde zugeben müssen, dass er es nicht aushielt ohne Beistand, ohne Freunde an seiner Seite.
    „Na ja, viel ist es nicht, was ich bisher herausgefunden habe“, sagte er unentschlossen. Nur … es wird gefoltert im Hades.“
    „Wie bitte? Gefoltert?“, fragte Wanderer ungläubig. „Bist du sicher?“
    „Ich bin ganz sicher. Sie nennen es Sonderbehandlung .“
    „Sonderbehandlung? Wofür?“
    „Es wäre die Strafe für einen Fluchtversuch, sagen sie, aber …“ Sando stockte.
    „Was ist?“
    „Sie tun es und sehen nicht, was sie anrichten.“
    „Aber du kannst es sehen“, sagte Wanderer. „Ich verstehe.“
    Sando schwieg.
    „Geht es dir wirklich gut, Sando?“
    Dem Jungen kamen die Tränen. Stumm schüttelte er den Kopf.
    „Bist du noch da? Sag, wie ich dir helfen kann.“
    Doch Sando konnte nichts sagen, weil er alle Kraft brauchte, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Er wollte nicht, dass Wanderer es hörte.
    „He, Sando, sprich mit mir! Wenn du es nicht aushältst, gehst du halt nicht mehr hin.“
    Sando fasste sich mühsam und presste hervor: „Wenn jemand von meinen Freunden mitkommen dürfte, dann … wäre es leichter.“
    „Meinst du wirklich?“ Die Skepsis in Wanderers Stimme war nicht zu überhören.
    „Ja, dann ginge es“, wiederholte Sando standhaft.
    Der Präsident zögerte.
    „Nein, Schluss damit!“, sagte er dann entschlossen. „Ein Junge in deinem Alter, ein Kind noch, es ist zu viel! Ich werde Doktor Fasin Bescheid geben, dass er dich nicht mehr mitnehmen soll.“
    Eigenartigerweise spürte Sando nach dieser Ankündigung keine Befreiung.

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