Katharsia (German Edition)
schwarzen Berge aufbrachen, waren Gregor und Nabil mit von der Partie. Sando empfand es als große Erleichterung. In Begleitung seiner Gefährten fühlte er sich sicherer. Er saß vorn neben Doktor Fasin. Hinter ihm auf der Rückbank hielten Gregor und Nabil angespannt Ausschau. Die schwarzen Berge rückten rasch näher. Bald erreichte der Gleiter den Kamm jener Anhöhe, von der aus sich der Blick auf die verbotene Zone eröffnete, auf den waffenstarrenden Sicherheitszaun, der sich durch die Wüste zog, so weit das Auge reichte.
„Was sind denn das für Leute?“, fragte Nabil plötzlich.
Auch Sando sah jetzt, dass sich entlang des Metallzauns eine Gruppe von Menschen bewegte. Trotz der Entfernung war zu erkennen, dass einige von ihnen Transparente trugen. Gleich einer Kolonne von Ameisen schritten sie emsig voran. Ihr Ziel schien das Zugangsgebäude zur verbotenen Zone sein.
„Sie geben keine Ruhe“, sagte Doktor Fasin verächtlich. „Das sind Anhänger dieses Spinners. Sie fordern allen Ernstes die Auflösung des Hades.“
Sando wollte etwas erwidern. So abenteuerlich ihm Jannis’ Forderung auch erschien, er konnte sich doch einer gewissen Sympathie dafür nicht erwehren. Und die Verhältnisse im Hades, meinte Sando, gaben dem Träumer Recht. Doch er hatte keine Lust auf eine Diskussion, die er nur verlieren würde. Es stünde drei gegen einen, dachte er. So sehr er sich freute, Gregor und Nabil bei sich zu haben, in diesem Punkt, das wusste er, würden sie nicht an seiner Seite stehen.
Sie erreichten das Zugangsgebäude vor der Gruppe der Demonstrierenden. Doktor Fasin fand diesmal einen Parkplatz im Schatten. Zufrieden stieg er aus. „Kommen Sie!“, sagte er, rasch die Tür des Gleiters zuschlagend. „Beeilen wir uns, ehe die Spinner hier das Treiben verrückt machen!“
Er hielt auf eine Kette Bewaffneter zu, die vorsorglich den Eingang des Gebäudes abschirmten.
„Rechnen Sie mit Ausschreitungen?“, wollte Gregor wissen.
„Irgendwelche Chaoten sind immer dabei“, erklärte Doktor Fasin und bedeutete einem Offizier im Vorbeigehen, dass die Personen in seiner Begleitung in Ordnung wären. Sie durften passieren und betraten die Treppe, die zum Eingang des Gebäudes führte.
„Jedes Mal versuchen einige, sich hier am Treppengeländer festzuketten, damit sie nicht so schnell vertrieben werden können“, regte sich der Doktor auf. „Ich habe keine Lust auf dieses Affentheater.“
Er strich mit den Fingern über den Abdruckscanner.
„Machen Sie es wie ich“, sagte er zu den beiden Neulingen und verschwand in der Drehtür.
Kurz darauf brachte sie die Bahn in die schwarzen Berge. Wie Sando am Vortag, so staunten nun Gregor und Nabil über die Endstation, die wie ein Schwalbennest über dem Abgrund der Schlucht hing, und über den mit spitzen Kegelzähnen bewehrten Raubtierrachen, der in der gegenüberliegenden Felswand den Zugang zum Hades bildete.
„Nun, was haben Sie sich für heute vorgenommen?“, fragte Doktor Fasin in die Runde, als sie – eingehüllt in Schutzanzüge, die goldfischglasähnlichen Helme auf dem Schoß – mit der Gondel in den Berg einfuhren.
„Zuerst möchte ich wissen, was aus der Seele geworden ist, die wir gestern im Energiespender gelassen haben“, sagte Sando. „Und dann müssen wir wohl oder übel an die Arbeit gehen und versuchen, Ordnung in die Belegungslisten zu bekommen. Obwohl – seit gestern denke ich, dass es unmöglich ist. Es gibt so viele …“ Sando scheute sich, das Wort, das er dachte, auszusprechen, tat es dann angesichts der fragenden Blicke aber doch. „… zerstückelte Seelen.“
„Ja, leider. Es ist unfassbar“, sagte Doktor Fasin. „Bis gestern habe ich nichts dergleichen geahnt.“
Seine Hand hinterließ eine trübe Schweißspur auf der Glaskugel, als er nachdenklich darüberstrich.
„Was ich fragen wollte, Sando …“, setzte er nach einer Weile des Schweigens an. „Herr Kamlan erwähnte gestern, dass Präsident Wanderer auf der Suche nach einer ganz bestimmten Seele sei. Darf ich fragen, um welche es sich handelt? Ich könnte vielleicht helfen, sie zu finden.“
„Ach, ich dachte, Sie wüssten längst Bescheid“, wunderte sich Sando. „Es handelt sich um einen Mann namens Wolfenhagen.“
Doktor Fasins Augenlider zuckten kaum merklich. „Wolfenhagen? Müsste ich den kennen?“
„Ein ehemaliger Kreuzritter“, erklärte Gregor. „Der Kerl steckt schon seit fast tausend Jahren im Hades – falls es ihn noch gibt
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